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Wickeln war gestern

Wickeln war gestern
Foto: © UdK

PE-Stretchfolie zur Umwickelung von Rollwägen wird überall gebraucht, wo es Warenlieferungen gibt. Das Problem: Sie wird nur einmal benutzt und dann weggeschmissen. Der Designer Lukas Henneberger hat sich mit seinem Projekt Wrap it up dafür eine Alternative einfallen lassen – und den Bundespreis Ecodesign gewonnen. Wir haben ihm einen Besuch abgestattet und uns das mal angeschaut.  
 

VON Boris Messing       

 

An hohen Gefängnismauern vorbei fahren wir unserem Ziel entgegen. Das Design-Studio von Jakob Timpe ist in einer ruhigen Straße gelegen, nur einen kurzen Fußmarsch von der Justizvollzugsanstalt Moabit entfernt. Um sichere und stabile Verpackung geht es heute auch, allerdings eine Verpackung der alltäglicheren Art. Wir treffen Lukas Henneberger, Assistent von Jakob Timpe und frischgebackener Absolvent der UdK, im Studio seines Chefs, um uns sein Designprojekt Wrap it up zeigen zu lassen, für das er den Bundespreis Ecodesign in der Kategorie „Nachwuchs“ gewonnen hat. 

Lukas empfängt uns mit einem lockeren „Hallo“ und führt uns an ausgestellten Designobjekten vorbei in einen großen Hinterraum, in dem er eine Box mit Exponaten von Wrap it up aufbewahrt. Wrap it up, erklärt er uns, sei im Kontext des ersten Semesterprojekts an der UdK entstanden. Vorgabe des Projektes sei gewesen, eine Designidee für den Supermarkt der Zukunft zu entwerfen. Einzige Voraussetzung: die Verwendung des Kunststoffes TPU (dazu gleich noch mehr). Wir setzen uns an den Tisch, wo die Box mit den Exponaten schon bereitsteht, und Lukas erzählt uns zuerst einmal, wie er auf die Idee zu seinem Projekt kam. Für Recherchezwecke besuchte er eine Filiale von Biocompany und Edeka, um mit der Marktleitung zu sprechen und den Betrieb zu beobachten. Dabei sei ihm die Idee gekommen: Stretchfolie. Oder besser gesagt: einen Ersatz dafür. Er habe von vorneherein etwas Sinnvolles machen wollen. „Ich wollte nicht etwas machen, das ein Problem löst, das eigentlich gar nicht da ist. Ich wollte ein wirkliches Problem finden“, erzählt er. PE-Stretchfolie ist so eines.


Samples von Wrap it up. Fotos: UdK
 

Allein in Supermärkten in Europa werden jährlich 1,5 Millionen Tonnen Single-Use-Stretchfolie verbraucht, um damit vollbeladene Rollwägen zu umwickeln. Die Stretchfolie hält den Rollwagen stabil und sorgt dafür, dass die Ware, die an den Supermarkt geliefert wird, nicht runterfällt. Ein durchschnittlicher Supermarkt produziert rund 183.000 Quadratmeter Müll aus PE-Stretchfolie im Jahr, was ungefähr dreißig Fußballfeldern entspricht. Theoretisch ist der Kunststoffverbund Polyethylen (PE) recycelbar, aber, hält Lukas fest: „Recycling ist ein inflationärer Begriff. In der Praxis wird die PE-Stretchfolie einfach in den Kunststoffmüll geschmissen und später auf der Mülldeponie verbrannt.“ Zumal sich PE nur schwer stoffschlüssig trennen lasse. Wrap it up, sagt er, sei dazu eine gute Alternative. 

Lukas holt die orangefarbenen Exponate aus der Box und erklärt uns die Funktionsweise von Wrap it up. Seine Stretchvorrichtung aus TPU erfülle den gleichen Zweck wie die PE-Stretchfolie, sagt er: sie soll die Rollwägen stabilisieren und die Ware vom Runterfallen schützen. Anders als PE-Stretchfolie wird seine Vorrichtung aber mit acht Clips an die Rollwägen angesteckt. Die TPU-Folie, die mit den Clips verbunden ist, lässt sich dabei mehrfach verwenden und ist flexibel, reißfest und lebensmittelecht, also unschädlich. Die Folie kann man an einer oder mehreren Seiten anstecken, je nach Bedarf, und nach Gebrauch einfach zusammenlegen. Eine simple, aber praktische Idee. Die gesamte Vorrichtung, sagt Lukas, bestehe aus TPU, einem Kunststoff, der wie PE zur Herstellung natürliche Ressourcen verbrauche, aber den Vorteil habe, dass er sehr hart, aber auch sehr dünn und biegsam sein könne und sich im Übrigen sehr gut schweißen ließe. Schweißen? Ja, Kunststoff lässt sich schweißen – und zwar mithilfe einer Sonotrode. „Die Sonotrode geht auf die Folie drauf und vibriert so schnell, dass sich die Partikel in der Folie miteinander verbinden“, erklärt uns Lukas.  





Oben: So sieht das am Ende aus. Mitte: Lukas überprüft die Samples. Unten: Kann zur Not auch als Duschvorhang verwendet werden. Fotos: Tim Schütze


Wrap it up gibt es in verschiedenen Größen und Formen. Theoretisch kann man für die Vorrichtung auch Biokunststoffe verwenden. Doch derzeit seien diese Stoffe noch nicht stabil genug, meint Lukas. Wie oft man Wrap it up benutzen kann, bevor es zerschleißt, lässt sich noch nicht genau sagen, dafür fehlt es noch an Praxistests. Für solche Tests müssten zuerst einmal einige Regularien durchlaufen werden, um die Sicherheit seiner Vorrichtung zu garantieren. Lukas gibt sich aber von seiner Idee überzeugt. Jeder, der schon einmal einen Rollwagen mit Stretchfolie umwickelt habe, sagt er, wisse wie mühsam das sein kann. Der Wagen dreht sich beim Wickeln oft mit, nicht selten lädt sich die Folie dabei elektrisch auf. Wrap it up dagegen ließe sich leicht anbringen, mehrfach verwenden und nach Ableben des Produkts komplett stoffschlüssig recyceln, da keine giftigen Kleber verwendet würden. Und ein weiterer Vorteil: bei der Nutzung von TPU bleibt wenig Verschnitt übrig.

Der Bundespreis Ecodesign hat Lukas‘ Idee Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Aufmerksamkeit würde er gerne zur Kommerzialisierung seiner Idee nutzen, sagt er. Es geht um Fragen der Skalierbarkeit, der Kosten und der erweiterten Anwendung. Wrap it up, sagt er, sei noch längst nicht ausgedacht. Man könne seine Idee durchaus erweitern, beispielsweise auf Paletten. Neben Supermärkten wären auch Hotels oder Messen potentielle Kunden, Rollwägen kommen praktisch überall zum Einsatz, wo es um Warenlieferungen geht. Derzeit befindet er sich im Gespräch mit einer Investorin, aber, macht er sofort deutlich, das sei „überhaupt nicht spruchreif“.  

Sorgen um die Zukunft muss er sich vorerst keine machen, schon vor dem Preisgewinn hat er eine Dozentenstelle an der Akademie für Mode und Design angeboten bekommen. Trotzdem würde er sich langfristig gerne mit Wrap it up selbstständig machen. Mitte des Jahres will er sich für ein Stipendium bei Creative Prototyping der UdK bewerben, um sein Projekt fortführen zu können. Die Chancen stünden nicht so schlecht, meint er und lächelt. Welches Feedback ihn am meisten gefreut habe, fragen wir ihn zum Abschied und er antwortet, ohne zu zögern: „Das Tollste fand ich, dass Leuten, die eigentlich nichts am Hut mit Design haben, meine Idee auf Anhieb gut fanden und sofort verstanden haben“. Dann packt er die Exponate wieder in die Box und begleitet uns nach draußen. Wir schwingen uns wieder aufs Rad und rollen davon – gut eingepackt und windgeschützt.  


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