Nachhaltigkeit
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Viktoria Kanar hat das Biotech-Unternehmen Re-Fresh Global gegründet, um Alttextilien wieder in den Kreislauf zurückzuführen - und wurde dafür für den Bundespreis Ecodesign nominiert. Wie funktioniert das Konzept?
CCB Magazin:Hallo Viktoria. Du hast Re-Fresh Global mitbegründet, ein international agierendes Biotech-Unternehmen zum Recyceln von Alttextilien. Wie weit ist die Mode- und Textilindustrie in Sachen Kreislaufwirtschaft heute?
Viktoria Kanar:Noch nicht sehr weit. Es fängt mit dem Bewusstsein des Problems an. Ich stelle immer wieder fest, dass in den westlichen Ländern zwar das Bewusstsein größer ist und es auch ein Angebot an nachhaltigen Textilprodukten gibt. Aber das Angebot richtet sich nur an Menschen, die sich solche teuren alternativen Modeartikel leisten können. Lösungen, um die Ressourcenverschwendung und die Emissionen einzudämmen müssen kostengünstig sein, damit sie in der breiten Gesellschaft Anklang finden.
Wir zerlegen über ein Open-Loop-Verfahren Textilien in ihre Bestandteile, und somit in seine synthetischen und natürlichen Komponenten, um sie wieder in einem neuen Kontext verwenden zu können
CCB Magazin:Durch die EPR-Regulierung der EU werden Textilhersteller nun in die Pflicht genommen, um die Zirkularität ihrer Produkte und Verfahrensweisen mitzudenken. Was beinhaltet diese Regulierung konkret und wann tritt sie in Kraft? Was bedeutet sie für Modedesigner*innen und Textilhersteller?
Viktoria Kanar:Die erweiterte Herstellerverantwortung ist ab dem ersten Januar 2025 in Kraft getreten und verpflichtet alle Akteure, die Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus bis zum Recycling mitzudenken. Das heißt, alle, die sich in diesem Ökosystem befinden, müssen ein Rückname- oder Recyclingsystem etablieren, das nicht auf die herkömmlichen Praxen der Verbrennung, Deponierung oder Verschickung von Textilien ins Ausland zurückgreifen darf. Man wird dann verpflichtet sein, neue Wege zu finden, wie sich der Textilabfall wiederverwenden lässt. Die meisten der Betroffenen haben aber keine eigene Möglichkeit, das zu machen. Sie werden sich auf spezialisierte Anbieter von Lösungen verlassen müssen. Ansonsten drohen ihnen Strafen.
CCB Magazin:Nun seid ihr genau ein solcher Lösungsanbieter. Das Konzept von Re-Fresh Global basiert auf einem biotechnologischen Hydrolyseverfahren, das ohne schädliche Chemikalien auskommt. Wie funktioniert dieses Verfahren?
Viktoria Kanar:Wenn man sich die Masse des globalen Textilabfalls einmal anschaut, dann sieht man, dass die meisten Textilien aus gemischten Fasern bestehen. Das macht es schwierig, sie in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Und es ist unrealistisch, dass sich das bald radikal ändern wird. Polyester beispielsweise lässt sich nicht so ohne weiteres ersetzen. Das Problem des gemischten Abfalls bleibt also erst einmal bestehen. Unser Open-Loop-Verfahren bietet eine Lösung dafür. Was heißt Open Loop? Das bedeutet, dass wir uns von der Idee verabschieden, aus einem Textilteil, einem Kleidungsstück das gleiche machen zu wollen wie zuvor. Stattdessen zerlegen wir das Textil in seine Bestandteile, also in seine synthetischen und natürlichen Komponenten, die dann in einem neuen Kontext verwendet werden können.
CCB Magazin:Konkret: Wie läuft das ab? Welche Komponenten werden separiert und wofür werden sie anschließend verwendet?
Viktoria Kanar:Unser Verfahren ähnelt der Herstellung eines Bieres. In einer Brauerei sind es natürliche Enzyme, die eine Umwandlung der Malzkörner verursachen. Bei uns sind es auch Enzyme, die die natürlichen Fasern auffressen - was zurückbleibt ist eine Art von Biomasse, aus der die verschiedenen Rohstoffe gefiltert werden können. Diese Rohstoffe sind Nanocellulose und Bioethanol. Nanocellulose lässt sich beispielsweise in der Kosmetik- und der Verpackungsindustrie einsetzen. Die synthetischen Fasern, die ebenfalls übrigbleiben, werden gereinigt und lassen sich vielfältig wiederverwenden. Zum Beispiel in der Auto-, Möbel- oder Textilindustrie. Mit unserem Verfahren lassen sich nachweisbar große Mengen CO2 einsparen. Alleine unsere recycelte Nanocellulose hat ein 98-prozentiges Einsparpotential, das heißt, im Vergleich zur Neuherstellung von Nanocellulose können mittels des Recyclings 98 Prozent an Emissionen gegenüber der Herstellung der Nanocellulose aus neuer Baumwolle eingespart werden.
CCB Magazin:Ist das ein herkömmliches Verfahren oder etwas ganz Neues?
Viktoria Kanar:Das ist ein von uns seit 2021 entwickeltes und patentiertes Verfahren, das in Zusammenarbeit von Designer*innen und Wissenschaftler*innen entstanden ist. Wir haben selbst geforscht, uns von vielen Akademikern beraten lassen und einfach ausprobiert, bis es geklappt hat.
CCB Magazin:Wie wichtig ist die Symbiose von Wissenschaft und Design für zirkuläre Lösungen in der Textilwirtschaft? Wo begegnen sich diese beiden Communitys? Und wie stellt man so ein Team wie eures zusammen?
Viktoria Kanar:Für meine Mitgründerin und mich war das kein wirklicher Spagat. Wir beide waren schon immer in der Welt zwischen Mode und Forschung unterwegs. Ich selbst war viele Jahre lang Modeproduzentin, habe aber auch eine Fashion-Tech-Community gegründet und habe unter anderem mit Startups kooperiert. Mich hat immer interessiert, wie sich die Modeindustrie innovativ modernisieren lässt. Ich habe auch zahlreiche Events im Bereich Mode und Innovation produziert, bin also von Anfang an sehr gut vernetzt gewesen. Aber ja, die Verbindung von Wissenschaft und Design wird immer wichtiger.
CCB Magazin:Mit welchen Unternehmen arbeitet ihr zusammen? An wen verkauft ihr die Ausgangsstoffe nach dem Recyclingverfahren weiter?
Viktoria Kanar:Wir bekommen fast täglich Anfragen von allen möglichen Seiten, die uns ihre Alttextilien anbieten wollen, um ihren Abfall loszuwerden. Wir arbeiten unter anderem mit der Automobilindustrie zusammen, die unsere Rohstoffe für die Innenausstattung ihrer Autos verwenden, beispielsweise mit Volkswagen. Mit vielen Unternehmen haben wir auch bereits Verträge vereinbart und sind so bald nicht mehr von Fördermitteln abhängig. Insgesamt sind es 14 verschiedene Industrien, für die unsere Rohstoffe relevant sein könnten.
CCB Magazin:Du hast Kommunikationsmanagement und Politikwissenschaften studiert. Wie kamst du eigentlich in die Mode- und Textilindustrie?
Viktoria Kanar:Ich habe viele Jahre lang PR gemacht für die Modebranche und war später eben als Produzentin tätig, ich habe mich also mehr oder minder von Anfang an in diese Richtung orientiert.
CCB Magazin:Was ist die Vision von Re-Fresh Global? Wo steht das Unternehmen in zehn Jahren?
Viktoria Kanar:Das Ziel ist jetzt, unser Verfahren zu kommerzialisieren. Langfristig wollen wir Microfactories dort entstehen zu lassen, wo Textilabfälle anfallen. Wir wollen den Abfall direkt vor Ort recyceln und die Rohstoffe an die entsprechenden ansässigen Unternehmen weiterleiten. In zwei, drei Jahren werden wir, so hoffe ich, in der Lage sein, Lizenzen dafür zu verteilen – global, aber für lokale Lösungen.
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