Nachhaltigkeit, New Work Zurück

Lisa Jaspers: „Das reicht einfach nicht"

Lisa Jaspers: „Das reicht einfach nicht"
Foto: © Lena Scherer

Seit dem Einsturz des Gebäudes Rana Plaza 2013 in Bangladesch mit mehr als 1.134 Toten sind die Rufe nach neuen Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie lauter geworden. Im Juni 2021 wurde ein neues Lieferkettengesetz beschlossen, das Unternehmen zu mehr Transparenz zwingen soll. Die Berliner Unternehmerin Lisa Jaspers kämpft für ein solches Gesetz seit Jahren. Wir wollen von ihr wissen, was das neue Gesetz bringt.
 

INTERVIEW   Jens Thomas

 

CCB Magazin:Lisa, du nennst dich Modeaktivistin und hast 2018 eine Petition für ein neues Lieferkettengesetz unter dem Hashtag #fairbylaw eingereicht. Rund 200.000 Menschen haben die Petition unterschrieben. Im Juni 2021 ist ein Lieferkettengesetz beschlossen worden. Bist du zufrieden?

Lisa Jaspers:Ich bin erstmal froh, dass es überhaupt ein Gesetz gibt. Das neue Lieferkettengesetz soll dazu führen, dass deutsche Unternehmen sicherstellen, dass sie in ihren Lieferketten keine Menschenrechte und Umweltstandards verletzen. Allerdings wird nicht jedes Unternehmen für alles verantwortlich gemacht. Es gibt einfach zu viele Schlupflöcher.

CCB Magazin:Welche denn?

Lisa Jaspers:Erstens bezieht sich das Gesetz nicht auf die gesamte Wertschöpfungskette. Es betrifft nur die direkten Zulieferer. Bei indirekten Zulieferern müssen die Unternehmen auch nur die Risiken ermitteln, die sich auf die Umwelt beziehen, die meisten Umweltschäden finden aber überwiegend am Anfang globaler Lieferketten statt. Zweitens ist im aktuellen Gesetz keine zivilrechtliche Haftung vorgesehen. Das heißt, dass von Menschenrechtsverletzungen Betroffene im globalen Süden weiterhin so gut wie chancenlos bleiben, wenn sie deutsche Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten wegen Menschenrechtsverstößen verklagen wollen. Ohnehin betrifft das Gesetz, das erst 2023 in Kraft tritt, zunächst nur rund 600 Unternehmen mit jeweils über 3.000 Mitarbeitenden. 2024 wird das Gesetz auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ausgeweitet, das wären laut Bundesarbeitsministerium 2.891 Unternehmen.

CCB Magazin:In der Vergangenheit wurden eigene Vergehen von Unternehmen oft auf andere Subunternehmer geschoben.

Lisa Jaspers:Genau das ist das Problem, und das löst das neue Gesetz eben nicht. Es wird weiterhin schwierig bleiben, Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in einem fremden Land vor deutschem Gericht haftbar zu machen. Ein bekanntes Beispiel war in der Vergangenheit ein Fabrikbrand in Pakistan. In der Fabrik hat unter anderem Kik produziert. Es gab dazu einen langen Prozess in Dortmund, der letztendlich hochgradig unbefriedigend für die Betroffenen vor Ort ausgegangen ist, weil keiner belangt wurde. An solchen Fällen wird leider auch das neue Lieferkettengesetz wenig ändern.

CCB Magazin:Was bedeutet das Gesetz für Konsument*innen und Produzent*innen?

Lisa Jaspers:Das Gesetz wir dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen in Zukunft stärker darauf achten müssten, unter welchen Bedingungen sie produzieren. Wie groß der Einfluss des Gesetzes auf die Produktionsbedienungen im globalen Süden sein wird, werden wir aber erst nach Inkrafttreten sehen. Selbst im besten Fall wird das Gesetz allerdings nicht dazu führen, dass unter „guten Bedienungen“ produziert wird. Das Gesetz soll Menschenrechtsverstöße abwenden, die Wertschöpfung wird aber nicht gleich gerechter verteilt.

CCB Magazin:Immer mehr Unternehmen bemühen sich um einen nachhaltigen Fußabdruck. Nach einer Umfrage des Branchenmagazins Textilwirtschaft sehen mittlerweile 73 Prozent von 169 befragten Mode-Herstellern und 291 Bekleidungshändlern Nachhaltigkeit als „das drängendste Projekt unserer Zeit“. Auf der anderen Seite können laut Circular Fashion Index nur drei Großunternehmen bislang ein akzeptables Ergebnis in punkto Nachhaltigkeit erzielen: Patagonia, The North Face, Levi’s. Belügt sich die Branche selbst?

Lisa Jaspers:An vielen Stellen ja, zumindest was die großen Unternehmen betrifft. Erfreulich ist jedoch, dass selbst große Unternehmen Nachbesserungen zum Lieferkettengesetz gefordert haben; insgesamt waren das rund 50 Unternehmen, darunter Symrise, Tchibo und Beckers Bester. Wenn sich hier eine neue Allianz aus großen Unternehmen und kleinen Labels bilden würde, wäre das toll. Allerdings haben die kleinen Unternehmen oft nur einen kleinen überschaubaren Kundenkreis. Sie können ökonomisch kaum mithalten.

CCB Magazin:Der Vorteil vieler Kleinstunternehmen und Nachhaltigkeitslabels gegenüber Großunternehmen war bislang, dass sie bereits nachhaltig und transparent sind. Wenn durch das Lieferkettengesetz künftig alle nachhaltig werden müssen, braucht es die kleinen Labels dann überhaupt noch?

Lisa Jaspers:Beim Lieferkettengesetz geht es ja nur um Mindeststandards. Es wird keine Gerechtigkeitsdebatte darüber auslösen, ob es eigentlich okay ist, dass die Profite, die die großen globalen Konzerne erwirtschaften, ausschließlich dem globalen Norden zu Gute kommt. Darum braucht es Unternehmen, die ganz anders wirtschaften und einen anderen Anspruch haben. Und diese Unternehmen müssen zeigen, dass der Anspruch an Lieferkettentransparenz ein anderer sein muss.

CCB Magazin:Du hast selbst dein eigenes Label Folkdays. Was ist dein Anspruch mit Folkdays?

Lisa Jaspers:Wir sind ein nachhaltiges Fair Fashion und Design Label. Uns gibt es seit 2013 und wir arbeiten mit kunsthandwerklichen Betrieben im globalen Süden zusammen. Wir sind der Versuch, Fair Trade für eine jüngere, designaffinere Zielgruppe interessant zu machen. Und das besondere an unseren Produkten ist: alles ist handgefertigt.

CCB Magazin:Kontrolliert ihr denn alle Schritte selbst?

Lisa Jaspers:Bis ins letzte Detail können wir das nicht, das ist aber auch nicht unser Anspruch. Denn wir arbeiten gezielt nur mit Unternehmen zusammen, die sich für die gleichen Werte wie wir einsetzen. Unser Fokus liegt auf der Armutsbekämpfung und wirtschaftlichen Entwicklung in den jeweiligen Regionen.

CCB Magazin:Du hast mit Naomi Ryland, Gründerin der Job-Platform tbd*, das Buch „Starting a Revolution“ geschrieben. Ihr setzt euch darin mit einer besseren nachhaltigen Arbeitswelt auseinander. Zum Schluss noch eine Prognose bitte: Wie sieht die bessere Arbeitswelt in der Post-Corona-Zeit aus?

Lisa Jaspers:In dieser Arbeitswelt stehen die Menschen, ihre Bedürfnisse und die Mitarbeiter*innen im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns. Wir haben einfach zu lange Profite auf Kosten von Mensch und Natur maximiert. Mit unserem Buch beschreiten wir neue Pfade abseits von Druck, Konkurrenz und Profitmaximierung. Diese neue Gesellschaft, und die entsprechende Arbeitswelt, wird gerechter und transparenter. Sie hat eine neue Führungskultur, die vor allem mehr weibliche Führungskräfte hat. Arbeit und das Private verschwimmen darin, aber im Positiven: Man geht seinen Interessen und Bedürfnissen nach, man macht ehrliche Arbeit, für sich, aber auch für andere. Nur das hat Zukunft.


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