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Fotografisches Rädchen im Getriebe

Fotografisches Rädchen im Getriebe
Foto: © Condé Nast

Foto: Edward Steichen . American Vogue . December 1923

Provokant, anrüchig, stinklangweilig, grell, bieder, poppig: Mode kann so ziemlich alles sein. „Zeitlos schön - 100 Jahre Modefotografie“ lautet eine Ausstellung im C/O Berlin, die Fotografien von Man Ray bis Mario Testino im Rahmen der ersten Berlin Art Week zeigt und noch bis zum 28.10.2012 zu sehen ist. Wie hat sich Modefotografie im Laufe eines Jahrhunderts entwickelt? Welche Wechselwirkung besteht zwischen Modefotografie und Werbung, welche zwischen Modefotografie und der Kunst? Und welche Freiräume haben Modefotografen heute noch? Creative City Berlin sprach mit Felix Hoffmann, Kurator der Ausstellung.

 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin: Herr Hoffmann, „Zeitlos schön - 100 Jahre Modefotografie“ lautet die Ausstellung im C/O Berlin. Kann Modefotografie ihrer Meinung nach überhaupt „zeitlos“ sein?

Felix Hoffmann: Nein, sicher nicht. Mode ist nicht zeitlos, auch die Fotografie ist das nicht, was die Ausstellung aber zum Ausdruck bringt ist, dass die ausgestellten Fotografien tatsächlich eine  Art „Zeitlosigkeit“ transportieren. Bestimmte Inszenierungsformen und bestimmte Moden kehren immer wieder, das ist auch das Spannende an der Modefotografie. ‚Zeitlos schön‘ bezieht sich eher auf die Qualität der Fotografien, nicht auf die Mode oder die Models. Modefotografie ist 'zeitlos schön'.

CCB Magazin:Sie haben verschiedene Epochen der Modefotografie in der Ausstellung veranschaulicht. Welche haben Sie bewusst gewählt und warum?

Felix Hoffmann:Was mich an der Modefotografie immer schon begeistert hat ist der Entstehungskontext jedes einzelnen Genres. Am Anfang der Modefotografie ab 1911 gab es eine große Wechselwirkung zwischen der Modefotografie und der Kunst, zwischen Surrealismus und Bauhaus. Ab den 1950/60er Jahren wurde die Modefotografie dann vom Studio in die Öffentlichkeit getragen, Modefotografen wie William Klein brachten die Models vom Studio auf die Straße. Das war ein entscheidender Schritt.

CCB Magazin:Hatte das auch mit einer neuen Art der Öffentlichkeit zu tun? In den 1960er Jahren mehrten sich die Protestformen, man ging auf die Straße.

Felix Hoffmann:Ich würde das nicht zu sehr mit der politischen Bewegung in Zusammenhang bringen, vielmehr ging es darum, dass man sieht, wo sich das Model bewegt, der lokale Flair gewann an Bedeutung und es wurde eine Hintergrundfolie gewählt. Das Objekt und der städtische Kontext wurden zusammengeführt. 

Fotografen sind mehr denn je abhängig von ihren Auftragsgebern.  Die Marktabhängigkeiten sind heute enorm.


CCB Magazin:Die Mode ist gut 150 Jahre alt, die Modefotografie wurde durch den Kunstfotograf Edward Steichen vor 100 Jahren populär. Interessanterweise geriet seit den Anfängen der Modefotografie das Objekt selbst, die Mode, zusehends aus dem Fokus, die Bildsprache des Fotografen wurde dominanter. Was sind Gründe dafür?

Felix Hoffmann:Das lässt sich nur schwer herauskristallisieren, sicher war es aber so, dass am Beginn der Modefotografie die Fotografie stark in Konkurrenz zur Illustration stand: Anfänglich wurde gezeichnet und alles in grafischen Formen festgehalten, jedoch nicht in fotografischen. Erst in den 1920er und 30er Jahren setzt sich schließlich die Handschrift des Fotografen durch, die Modefotografie schafft es bis auf die Titelblätter. In den 1940er Jahren wird die Modefotografie dann experimenteller, sie wird zu einem eigenständigen Genre. Dadurch gewinnt der Fotograf an Dominanz, er beginnt mit seinem Medium zu spielen.
 

Foto: Clifford Coffin . American Vogue . June 1949 © Condé Nast.

CCB Magazin:Wie ist das heute?

Felix Hoffmann:Heute ist dieses Verhältnis genau umgekehrt. Fotografen sind mehr denn je abhängig von ihren Auftragsgebern. Was mich in der Ausstellung auch immer wieder überrascht hat ist, dass die Magazine im Hier und Jetzt sehr gut als Magazine funktionieren, das Bild aber vielerorts überhaupt keinen Wert mehr hat.

CCB Magazin:Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hat die Modefotografie dann noch?

Felix Hoffmann:Man muss sagen, dass seit den späten 1990er Jahren eine Armada von Leuten hinter einem Magazin steht, und da ist der Fotograf nur noch ein Rädchen im Getriebe. Die Wechselwirkung aus Fotografie und Post Production hat zugenommen. Im Produktionsprozess bleibt da oft nur noch wenig übrig vom Anfangsbild.

CCB Magazin:Kreativität hört da auf, wo Modefotografie anfängt?

Felix Hoffmann:So würde ich das nicht sagen, da man ständig auf der Suche nach einer neuen Ästhetik, nach neuen Trends ist. In gewisser Weise wird Kreativität dadurch gerade erst erzeugt, aber es ist der Markt, der sie abverlangt und mithervorbringt.

CCB Magazin:In der Ausstellung wird die Frage nach der Wechselwirkung zwischen Modefotografie und Werbung thematisiert. Beim Betrachten der Bilder fällt auf, dass die Subjekte oft nicht auf Körperlichkeiten reduziert werden, vielmehr werden sie personalisiert: bei Bruce Webers steht die Persönlichkeit im Mittelpunkt, auch Edward Newton entwarf den entschlossenen und erfolgreichen Frauentyp. In der Werbung wird hingegen oftmals ein gegenteiliges Bild vermittelt. Inwiefern besteht ein Widerspruch zwischen Mode- und Werbefotografie?

Felix Hoffmann:Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil die Grenzen da heute fließend sind. Man muss einfach sehen, dass nur noch fünf bis 10 Prozent in einem Modemagazin editorials sind, der Rest besteht aus Werbung, Marketing oder Ähnlichem. Wenn ein Mario Testino mal für Gucci fotografiert, gibt es im gleichen Magazin eine Modestrecke, die er unabhängig von Werbeverträgen für Prada in Auftrag genommen hat. Prada hat wiederum eine Anzeige geschaltet und nur über diese Anzeige bekommen sie ihre Modestrecke rein. Die Marktabhängigkeiten sind heute enorm.

CCB Magazin:Seit Beginn der Modefotografie wurde auch die Frage aufgeworfen, ob die Modefotografie, aufgrund des kommerziellen Ursprungs, „Kunst“ sei. Edward Steichen zeigte der Modewelt 1911 als erster Fotograf, dass Fotografien mit den Zeichnungen der besten Künstler, wie etwa Paul Iribe und George Lepape, konkurrieren können. Passt das ihrer Meinung nach zusammen, Modefotografie und Kunst?

Felix Hoffmann:Modefotografie und Kunst haben in gewisser Weise immer schon zusammengepasst und das tun sie auch heute. Was sich aber verändert hat ist, dass nicht mehr die Fotografen und nicht die Konsumenten den Markt dominieren, sondern der Kunstmarkt. Wenn ein Bild von Erving Penn mittlerweile 120.000 Euro oder ein Foto von Helmut Newton eine viertel Millionen kostet, gibt das der Kunstmarkt vor, nicht wir. Wir kaufen es nur.

CCB Magazin:Wenige Fotografen verdienen heute viel, viele verdienen wenig. Der Markt der Modefotografie ist stark abgesteckt, der Zugang zum Feld alles andere als offen. Würden Sie einem Fotografen heute noch raten, Modefotograf zu werden?

Felix Hoffmann:Man muss auf jeden Fall viel Leidenschaft mitbringen, und vermutlich sollte man sich auch nicht nur auf die Modefotografie konzentrieren. Der Druck in der Branche wächst. Der Stern hatte in den 1980er Jahren knapp 90 festangestellte Fotografen, heute ist es einer. Die Modefotografie ist harte Arbeit, es ist hartes Brot.

CCB Magazin:Gerade in Berlin können viele Fotografen von ihrer Arbeit nicht leben.

Felix Hoffmann:Das ist richtig, zwar ist Berlin mittlerweile eines der wichtigsten Modestandorte der Welt, ganz im Gegensatz zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, wo Berlin als Standort unbedeutend war. Berlin hat aber nach wie vor kaum Geld, die großen Abnehmer bewegen sich nach wie vor wo anders, in Paris, London oder in den Staaten. Nicht umsonst sitzen Verlage wie Conde Nast nach wie vor auch in München. 

Mode-Magazine sind die Schaufenster der Kommerzialisierung
 

CCB Magazin:Modefotografie, so heißt es, spiegelt den Zeitgeist wider. Was sagt die Modefotografie ihrer Meinung nach über die heutige Zeit aus?

Felix Hoffmann:Ich weiß nicht, ob es darauf eine klare Antwort gibt. Sicherlich ist heute alles stark konsumorientiert und die Magazine verorten sich stärker im Konsumentenkontext. Die Magazine wollen in der Modeindustrie ein Baustein sein, dabei vergessen sie nur allzu oft, dass sie eine Historie haben und dadurch auch einen Wert besitzen. Ich würde darum sagen, die Magazine sind Schaufenster der Kommerzialisierung. Und wenn es da nicht altbekannte Fotografen in den Magazinen gebe, wäre das alles sehr charakterlos.

CCB Magazin:Herr Hoffmann, vielen Dank für dieses Gespräch.


Zeitlos schön. 100 Jahre Modefotografie von Man Ray bis Mario Testino im C/O Berlin, 18.08. - 28.10.2012

www.berlinartweek.de


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