Crowdfunding Zurück

Stefan Aretz und Emely Roßner: „Crowdfunding ermöglicht Diskurse“

Stefan Aretz und Emely Roßner: „Crowdfunding ermöglicht Diskurse“
Foto: © Andreas Dierkes

„SORRS GUYS. Eine tragische Sommerkomödie“ lautet der Titel eines neuen Films, der über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert werden soll. Es geht um den Wunsch zweier Homosexueller, Vater zu werden. Was ist tragisch an einer solchen Geschichte? Und wie eignet sich das Crowdfunding zur Finanzierung für ein solches Filmvorhaben? Wir sprachen mit Filmemacher Stefan Aretz und Kampagnen-Planerin Emely Roßner.

INTERVIEW   JENS THOMAS

 

CCB Magazin:Hallo Stefan, Euer Filmvorhaben trägt den Untertitel: Eine tragische Sommerkomödie. Was ist tragisch an Eurer Geschichte?

Stefan:Der Wunsch, Vater werden zu wollen, ist erst einmal sehr heiter und gar nicht tragisch. Es sei denn, die Biologie steht einem im Wege - und in SORRY GUYS ist das der Fall. Denn das Paar in unserem Film besteht aus zwei Männern. Tragisch wird die Geschichte darum, weil die Protagonisten des Filmes bereit sind, einen sehr hohen Preis für die Erfüllung einer Sehnsucht zu zahlen.

CCB Magazin:Wie kam es zu der Idee, den Wunsch eines Homosexuellen nach einem eigenen Kind zu thematisieren?

Stefan:Ich bin Anfang 30 und das Kinderkriegen ist in meiner Lebensphase allgegenwärtig - ob man das nun will oder nicht. So musste auch ich mich mit dem Thema auseinandersetzen, das ist auch gut so. Dabei begegneten mir gerade hier in Berlin unterschiedlichste Konstellationen, in denen Kinder aufwachsen. Spannend war für mich zu sehen, wie gut es den Kindern dabei geht! Zugleich wurde mir klar, dass sich für Paare, die keine Kinder bekommen können, ein steiniger Weg ergibt. Darum stellte ich mir die Frage: Wie wollen wir als Gesellschaft mit diesen Menschen und ihrem Wunsch umgehen?

CCB Magazin:Und, wie sollen wir damit umgehen?

Stefan:Ich möchte, dass auch Homosexuelle Kinder bekommen dürfen. Zugleich sollten wir akzeptieren, wenn Leute keine Kinder wollen. Wer keine Kinder bekommt, muss sich gegenüber der Gesellschaft aber rechtfertigen und Fragen beantworten, die man eigentlich nur mit seinem Partner klären möchte. Und wenn sich beim Nachbarn X alle einig sind, dass es einen nichts angeht, wenn Person Y mit seiner Frau noch ein drittes Kind bekommt, gibt es beim „schwulen Paar“ aus der Nachbarschaft schon beim ersten Kind eine verfestigte Meinung. In SORRY GUYS sagt die Figur Ulf den Satz: „Wieso kaufen die sich denn keinen Hund? Irgendwann muss doch mal Schluss sein.“ Ich ermuntere den Zuschauer in meinem Film dazu, genau hinzuschauen, wie die Gesellschaft derzeit mit einem solchen Thema umgeht.

CCB Magazin:Über das Kinderkriegen unter Homosexuellen gibt es seit Jahren eine rege und bisweilen auch verkrampfte Diskussion. Während die eine Seite behauptet, dass Kinder nur „gesund“ aufwachsen würden, wenn Sie Mami und Papi haben, verweisen andere darauf, dass Kinder unter Homosexuellen genauso wohlbehütet aufwachsen. Strengt Euch diese Diskussion an oder ist sie gut, weil überhaupt über ein solches Thema so ausgiebig diskutiert wird?

Stefan:Beides. Sie strengt an, weil in der Diskussion oft aneinander vorbei debattiert wird. Geht es den einen um die Betrachtung derjenigen, die sich ein Kind wünschen, entgegnen die anderen mit dem Verweis auf das Wohle des Kindes. Natürlich ist es richtig, dass das Kind im Mittelpunkt steht. Wenn wir aber als Gesellschaft entscheiden, wer ein Kind aufziehen darf und nicht, ist das eine schwierige Diskussion. Mir kommen da Paare in den Sinn, bei denen das Kinderkriegen zwar biologisch klappt, wo ich aber das Wohl des Kindes stark anzweifeln möchte. Diesen Paaren wird kein Riegel vorgeschoben, sondern sie bekommen eine Chance zu beweisen, dass sie Kinder großziehen können. Diese Chance wünsche ich mir auch für Homosexuelle. 

Vater, Vater, Wohnwagen, Kind:  Wie geht die Gesellschaft mit Homosexuellen um, die Kinder haben wollen? Der Film SORRY GUYS geht dieser Frage nach. Foto © SORRY GUYS

CCB Magazin:Ihr wollt euren Film über eine Crowdfunding-Kampagne teilfinanzieren. Emely, du bist verantwortlich für das Crowdfunding von SORRY GUYS. Warum habt ihr Euch für das Crowdfunding entschieden?

Emely:Uns war wichtig, möglichst viele Leute bei SORRY GUYS von Anfang an mit einzubinden und das gesamte Projekt begleiten zu können. Dafür eignet sich das Crowdfunding ganz wunderbar. Das Crowdfunding ist mehr als nur ein Finanzierungsinstrument, es ist ein tolles Medium, um ein Projekt unter die Leute zu bringen. Durch die Möglichkeit, ein Projekt zu unterstützen, zeichnet sich am Erfolg eine Tendenz ab, ob das Thema die Öffentlichkeit und unsere Unterstützer interessiert oder nicht. Unterm Strich ist es ein fairer Deal für alle Beteiligten: Gibt es wirklich ein großes Interesse der Crowd an dem Thema, kommt es zu Stande. Wenn nicht, macht die Crowd keine Verluste.

CCB Magazin:Wie hilfreich ist das Crowdfunding, speziell für ein solches Thema zu sensibilisieren?

Emely:Wir haben in der langen Vorbereitung und Produktion des Filmprojektes schnell gemerkt, wie heiß dieses Thema ist. Viele Leute haben ein wirkliches Interesse daran. Dadurch ergibt sich auch die Chance, über ein Crowdfunding für ein solches Thema eine gewisse Sensibilität zu schaffen. Ich persönlich denke, dass es gerade für Projekte mit einem gesellschaftlich relevanten Thema sinnvoll und richtig sein kann, über Crowdfunding einen Diskurs anzustoßen.  

CCB Magazin:Hier geht es aber auch ums Geld: Euer Film wurde bereits zu zwei Dritteln vorfinanziert. Beim Crowdfunding habt ihr eine Zielsumme von  5.595,00 Euro veranschlagt. Wäre eine komplette Finanzierung über ein Crowdfunding nicht möglich gewesen?

Emely:Nein, ich denke nicht. Das wollten wir auch nicht. Die Summe des Crowdfundings stellt nur einen Teil unserer Finanzierung da. Wir versuchen uns sonst noch anderweitig zu finanzieren. Aktuell stehen wir in Gesprächen mit Produktionsfirmen und haben großzügige Sponsoren gefunden. Auch Stiftungen und Förderanstalten sind im Gespräch.

CCB Magazin:Das Beispiel Stromberg ging gerade durch die Medien. Stromberg als Kinofilm wurde binnen einer Woche mit einer Million Euro über das Crowdfunding finanziert. Wird man da nicht neidisch?

Emely:Nein, überhaupt nicht. Für uns war von Anfang an klar, dass das Crowdfunding nur ein Zusatzfinanzierungsmodell ist. Das Beispiel Stromberg lässt sich auch nicht verallgemeinern. Stromberg hat eine riesige Fan-Gemeinde und das Crowdfunding wurde mit dem Crowdinvesting kombiniert, das heißt, die Anleger haben auch Geld zurückbekommen. Ich denke, schon eine erfolgreiche Vollfinanzierung über Crowdfunding für ein professionelles Filmprojekt, beispielsweise einen Langfilm, wo es um mehrere 100.000 € geht, ist bis auf wenige Ausnahmen sehr unwahrscheinlich. Vielleicht kommt da auch meine kaufmännische Ader durch, aber ich denke, dass für eine Vollfinanzierung – innerhalb des engen Zeitrahmens von einem Monat – Aufwand und Nutzen bei sehr hohen Summen nicht erfolgreich gegengerechnet werden können.

CCB Magazin:Eine Studie von ikosom über Crowdfunding im Film kam zu dem Schluss, dass Crowdfunding häufig nur in Kombination mit anderen Finanzierungsprojekten als alternative Filmfinanzierung genutzt wird und sich überwiegend nur als Finanzierungsmittel für kleine bzw. Nischenfilmprojekte eignet. Wird das Crowdfunding als Finanzierungsinstrument für die Filmbranche überbewertet?

Emely:Das würde ich so nicht sagen. Wenn zum Schluss 5.595,00 Euro auf unserem Kontoauszug steht, ist das nur der monetäre Betrag. Jegliche Kontakte, die wir heute haben, konnten wir ebenfalls über die Crowdfunding-Kampagne knüpfen. Da sind auch Leute drunter, die zwar keine Geldgeber während der Crowdfunding-Kampagne waren, aber darüber hinaus künftig als Geldgeber in Frage kommen.

CCB Magazin:Als Plattform habt ihr für Eure Kampagne VisionBakery gewählt. Warum VisionBakery?

Emely:Viele meiner Bekannten und Freunde sind künstlerisch oder in kultureller Hinsicht tätig und haben ihre kleinen und großen Projekte bei VisionBakery finanzieren können. Deshalb sind wir auch zur "Traumbäckerei" – und können schon jetzt sagen: Es war die richtige Entscheidung. Das Team von VisionBakery ist sehr sympathisch und sehr aufmerksam. Und nicht zuletzt sind Beratung und Service exzellent.

CCB Magazin:Ihr habt auch Prominente wie Sandra Borgmann und Valentin Schreyer mit am Set. Inwiefern seht ihr das als Vorteil,  über eine solche Besetzung ein breiteres Publikum erreichen zu können? Beim Crowdfunding kommen Unterstützer ja häufig nur aus dem eigenen Umfeld. Oder seht ihr (auch) die Gefahr, dass sich nicht genügend Unterstützer aufgrund der prominenten Zusammensetzung finden können? Nach dem Motto: Wer solches Personal bezahlen kann, braucht wohl sonst keine Unterstützung.

Emely:Der Cast ist unsere Traumbesetzung, weil es die absolut besten Schauspieler für genau diese Rollen im Film sind. Alle vier waren begeistert von dem Thema und vom Drehbuch, sodass sie uns zugesagt haben. Aber die Finanzierung steht auf einem anderen Blatt. Auch wenn prominente Leute immer Vertrauen schaffen in einer Produktion, ist die Finanzierung damit noch lange nicht in trockenen Tüchern. Alle Departments haben zugesagt und arbeiten losgelöst von einer tariflichen Gage. Nur so können wir den Film überhaupt machen. Also jeder Euro zählt! Der große Zuspruch bei allen, die uns unterstützen, ist sicher ein Signal, dass der Film SORRY GUYS unter einem guten Stern steht.

CCB Magazin:Stefan und Emely, ich danke euch für dieses Gespräch.


Schon gelesen?

schließen
schließen

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum