Finanzierung
Bianca Creutz: „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft muss anerkannt werden“
Wie haben sich die Einkommen in den kreativen Berufen entwickelt? Wie …
Im Gespräch mit Creative City Berlin, die Architektin Verena von Beckerath
Coworking ist mittlerweile vielen ein Begriff – das Arbeiten verschiedener Kreativschaffender in einem Büro, an einem Arbeitsplatz. Was verbirgt sich aber hinter Cohousing? Die Berliner Architektin Verena von Beckerath hat ein Co-House in Kreuzberg mit ihrem Partner Tim Heide, dem Büro ifau und Jesko Fezer entwickelt, da steht es nun. Welche Idee steckt dahinter?
CCB Magazin: Frau von Beckerath, Sie und ihre Agentur HEIDE & VON BECKERATH haben gemeinsam mit ifau und Jesko Fezer das Projekt R50 - cohousing ins Leben gerufen, eine Baugemeinschaft in der Ritterstraße in Kreuzberg. Was kann man sich darunter vorstellen?
Verena von Beckerath: Das Haus in der Ritterstraße 50 ist ein Modell-Projekt, das wir gemeinsam mit allen Beteiligten – einem Projektsteuerer und den Bauherren – konzipiert und umgesetzt haben. Es ist ein freistehendes Haus, ein von unterschiedlichen Berliner Wohnbaukonzepten der Nachkriegszeit umgebenes Gebäude mit sechs Vollgeschossen mit Souterrain- und Dachgeschoss. Es besteht aus 19 individuellen Wohnungen, einem Studio und gemeinsam nutzbaren Räumen. Auf der abgesenkten Eingangsebene befindet sich ein doppelgeschossiger und flexibler Gemeinschaftsraum, der mit dem übergeordneten Erschließungskonzept des Hauses und - auf der oberen Ebene - mit dem öffentlichen Raum der Straße verknüpft ist.
CCB Magazin:Co-housing als Begriff ist schon 30 Jahre alt. Der in Dänemark studierende amerikanische Architekt Charles Durrett prägte ihn und setzte im Anschluss mehrere Projekte um. Mittlerweile gibt es über 150 Projekte dazu in den USA, vereinzelt auch welche in Europa. Ist ihres das erste Haus dieser Art in Berlin?
Verena von Beckerath:Co-housing-Projekte gibt es natürlich schon länger in Berlin. Beispiele hierfür sind das ehemals besetzte und heute im Rahmen einer Genossenschaft kooperativ betriebene Haus in der Manteuffelstraße 40/41 oder das durch die Selbstbaugenossenschaft Berlin e.G. in den 1980er Jahren errichtete "Wohnregal" in der Admiralstraße 16 - beide in Kreuzberg. Auch R50 war zunächst als genossenschaftliches Modell geplant und wurde schließlich im Rahmen eines konzeptgebundenen Grundstücksvergabeverfahren des Berliner Liegenschaftsfond als Baugemeinschaft realisiert. Das Besondere an diesem und anderen vergleichbaren Projekten ist: Es handelt sich um Gemeinschaftsprojekte, die nicht nur mit den Beteiligten gemeinsam entwickelt wurden, sondern in dem die Bewohner und die Eigentümer der Wohnungen selbst leben und im gemeinschaftlichen Austausch miteinander stehen.
Das Besondere an R50 ist, dass es nicht nur mit den Beteiligten entwickelt wurde, sondern die Beteiligten dort teils selbst leben
CCB Magazin:Das klingt zunächst nach einem gewöhnlichen Mehrgenerationenhaus, das generationenübergreifend als Wohnraum oder offener Treffpunkt genutzt wird. Wo ist der Unterschied?
Verena von Beckerath:Der Schwerpunkt liegt weniger auf Generationen, sondern auf der Gemeinschaft als solcher, und dafür bietet das Haus eine Reihe von Angeboten: es gibt einen Eingangsbereich, Garten, umlaufende Balkone und eine Sommerküche auf dem Dach für alle. Im Gemeinschaftsraum von R50 trifft man sich, man hilft sich hier, es finden Workshops statt, es werden gemeinsam Schulaufgaben erledigt. Der Raum steht auch Nachbarschaftsinitiativen zur Verfügung. So findet idealerweise auch ein Austausch mit den Anwohnern der Umgebung statt.
CCB Magazin:Klären Sie uns mal auf: Wer wohnt in der R50?
Verena von Beckerath:Hier wohnen unter anderem Architekten, Künstler und Kreativschaffende mit ihren Familien, die sich stark mit dem Haus identifizieren. Das ist auch ein Qualitätsmerkmal des Projekts. Alle Entscheidungen wurden in der Planungs- und Bauphase gemeinsam getroffen, alle haben das Projekt von Anfang an begleitet.
CCB Magazin:Warum werden diese Menschen Eigentümer?
Verena von Beckerath:Zum einen, um sich mit der eigenen Wohnung innerhalb einer Gemeinschaft zu identifizieren; die Bewohner fühlen sich mit dem Gesamtprojekt sehr verbundenen, weil es von Beginn an auch ihr Projekt war und sie darum ein sehr bewusstes Verhältnis dazu haben, Eigentümer zu werden. Zum anderen, weil die Mieten in der Innenstadt seit einigen Jahren eklatant steigen und man auch noch in einigen Jahren in Kreuzberg wohnen möchte. Auf lange Zeit rechnet sich ein solches Projekt auch. Der Quadratmeterpreis der Nutzfläche liegt bei ca. 2.150 Euro brutto, inklusive Steuern und Grundstückskosten. Das ist extrem günstig.
CCB Magazin:Ihr Projekt setzt auf Nachhaltigkeit. Was ist nachhaltig an R50?
Verena von Beckerath:In unserem Fall meint es ökologische, ökonomische und soziale Aspekte: ökologisch, indem der kompakte Baukörper hochgedämmt ist und der Energieverbrauch so die gültige Energieeinsparverordnung um 30 Prozent unterschreitet. Ökonomisch, weil es auf Grund seiner Konstruktion, der einfachen Standards und der reduzierten Oberflächen vergleichsweise kostengünstig ist. Darüber hinaus glauben wir - und das wäre der soziale Aspekt - , dass die Flexibilität des Projekts auch zukünftigen Veränderungen gegenüber offen ist und diese möglich macht. Zur Zeit wohnen hier viele Familien mit Kindern. Das Haus ist aber auf Grund seines Angebots an gemeinschaftlich nutzbare Flächen und der ihm eingeschriebenen und konstruktiv bedingten Umbaufähigkeit an verschiedene Lebensformen anpassbar.
CCB Magazin:Welche Aspekte ihres Projekts lassen sich aber übertragen auf Wohnquartiere mit sozial schwächeren Milieus, wo sich das die Menschen bislang nicht leisten können?
Verena von Beckerath:Darüber denken wir natürlich auch nach und diskutieren solche Themen zum Beispiel mit Berliner Wohnungsbaugesellschaften. Auch diese sind dabei, Gebäude- und Wohnungstypologien zu überprüfen und Vergabemodalitäten neu zu strukturieren, um mehr Qualität und soziale Gleichheit in der Stadt möglich zu machen. Interessant ist nun, wie sich experimentelle Projekte wie R50 auf den Massenwohnungsmarkt übertragen lassen. Das wird natürlich nicht eins zu eins gehen. Aber bestimmte Aspekte wie Gemeinschaftsflächen für die Bewohner oder partizipative Mitbestimmungsmöglichkeiten sind vor allem auch in Gegenden mit geringerem Einkommen interessant, um die Wohnangebote zu verbessern und um soziale Kontakte zu intensivieren. Denkbar sind auch Mischkonzepte, und auch hier arbeiten wir zusammen mit ifau an einem größeren Projekt am ehemaligen Blumengroßmarkt, in der südlichen Friedrichstadt. In diesem Fall ist neben Eigentümern eine Genossenschaft beteiligt, die ihre Wohnungen vermietet. Durch eine Umlage, die die Eigentümer den Genossen zugestehen, kann die Genossenschaftsmiete auf eine bestimmte Zeit festgeschrieben werden.
Die Politik ist jetzt gefragt, Konzepte wie R50 in die Vergabestrukturen der Berliner Liegenschaftspolitik zu integrieren
CCB Magazin:Inwiefern ist es Aufgabe der Politik, Konzepte wie R50 in die Vergabestrukturen der Berliner Liegenschaftspolitik zu integrieren?
Verena von Beckerath:Wichtiger Punkt. Gerade die Politik ist jetzt gefragt. Das Projekt R50 war ja eines der ersten Projekte, welches aus einem konzeptgebundenen Vergabeverfahren des Liegenschaftsfonds heraus entstanden ist, das sich explizit an Baugruppen richtete. Das war im Jahr 2010. Und dieser Schritt ist sicher auch im Kontext einer Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik zu sehen, die über Jahre immer nach der Prämisse vorgegangen war, Grundstücke möglichst höchstbietend zu veräußern. Seit einiger Zeit findet hier ein Wandel statt; man hat damit begonnen, die Vergabe in bestimmten Situationen auch im Sinne einer kooperativen Stadtentwicklungspolitik einzusetzen.
CCB Magazin:Frau von Beckerath, vielen Dank für dieses Gespräch.
Schon gelesen?
Abonniere unseren monatlichen Newsletter!
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum