Nachhaltigkeit, Vernetzung Zurück

Die Kultur drückt auf die Tube

Die Kultur drückt auf die Tube
Foto: © Ralf Silberkuhl

Die Initiative Culture4Climate will Klima- und Nachhaltigkeitsziele im Kulturbereich voranbringen. Gefördert wird sie vom Bundesumweltministerium. Was unterscheidet sie von den vielen anderen Initiativen und Projekten, die gerade laufen? Darüber sprachen wir mit Ralf Weiß.
 

INTERVIEW   Boris Messing

 

CCB Magazin: Hallo Ralf, du bist im Vorstand des 2N2K-Netzwerks Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur und koordinierst die Initiative Culture4Climate. Erzähl doch bitte mal kurz, wer bist du und was hast du vor dem Projekt gemacht?

Ralf Weiß: Ich bin Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler und beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit. Ich habe lange mit Unternehmen im Bereich Innovation und Nachhaltigkeit zusammengearbeitet und auch viel Forschung zu dem Thema betrieben. Um ein Beispiel zu geben: In Berlin haben wir mit dem Borderstep Institut, für das ich damals gearbeitet habe, über drei Jahre bundesweit eine grüne Gründerinitiative betreut. Da ging es um die Unterstützung von Startups, die im Bereich Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien und Ähnlichem tätig waren. In diesem Kontext haben wir auch einen grünen Gründungsmonitor entwickelt.

CCB Magazin:Um was geht es beim Projekt Culture4Climate?

Ralf Weiß:Wie der Name schon verrät, geht es vor allem um das Klimaengagement im Kulturbereich. Das betrifft insbesondere Kultureinrichtungen unterschiedlichster Art, Bibliotheken, Theater, Festivals, Museen, soziokulturelle Zentren. Dabei geht es einerseits um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel. Andererseits geht es darum, Treibhausgasemissionen in den jeweiligen Kultureinrichtungen einzusparen. Um dir mal eine Zahl zu geben. Wir haben errechnet, dass wir innerhalb von zehn Jahren zwei Millionen Tonnen C02 im Kulturbereich einsparen könnten. Das umfasst klassische Bereiche wie Gebäude, Mobilität, Energie, aber auch organisatorische Maßnahmen. Und daran wollen wir mit den Kulturakteuren arbeiten.

CCB Magazin:Es gibt ja bereits das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit, das sich mit dem Thema Betriebsökologie in Kultureinrichtungen auseinandersetzt. Worin liegt der Unterschied zu euch?

Ralf Weiß:Tatsächlich gibt es noch viel mehr Akteure als nur diese beiden Projekte, und es ist auch gut so, dass es viele Akteure gibt. Wir sind in gutem Austausch mit dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit, wir ergänzen uns mit ganz unterschiedlichen Unterstützungsangeboten. Culture4Climate wird vom Bundesumweltministerium gefördert und über drei Jahre laufen, in denen wir ganz konkrete Maßnahmen durchführen werden. Die Nationale Klimaschutzinitiative fördert dort innovative Klimaschutzvorhaben, was bedeutet, dass es unsere Programmbausteine in dieser Form bisher nicht gibt und wir über bestehende Ansätze und Modellvorhaben hinausgehen.

Zahlreiche Künstler und Filmschaffende haben sich seit vielen Jahren mit dem Thema Klimawandel auseinandergesetzt. Anders verhält es sich mit der Auseinandersetzung mit dem eigenen C02-Fußabdruck im Kulturbereich, dieses Bewusstsein existiert erst seit wenigen Jahren

CCB Magazin:Was sind das für Maßnahmen? Wie könnt ihr Kultureinrichtungen dabei helfen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren?

Ralf Weiß:Wir haben einen Baukasten von unterschiedlichen Maßnahmen, die sich ergänzen. Grundsätzlich wollen wir die Kultureinrichtungen dabei unterstützen, das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit in ihrer jeweiligen Organisation zu verankern. Dafür führen wir eine Nachhaltigkeitsdeklaration für Kultureinrichtungen ein. Und in diesem Kontext bieten wir ein Format an - sogenannte Global Goals Labs -, um auch größere Maßnahmen zu entwickeln, wo es die Zusammenarbeit vieler Akteure braucht, beispielsweise auch aus der Stadtverwaltung. Dazu gibt es auch ein Fördercoaching. Eine andere, sehr wichtige Sache ist, dass der Kulturbereich zu einem allgemeinen Kulturwandel in der Gesellschaft beitragen kann, indem er andere Perspektiven eröffnet.

CCB Magazin:Aber nochmal zurück auf die Maßnahmen. Kannst du bitte ein Beispiel geben?

Ralf Weiß:Eine einfache Maßnahme ist die Umstellung auf Ökostrom. Dadurch hat beispielsweise der Gropiusbau seit 2013 jährlich rund 860 Tonnen C02 eingespart. Eine solche einfache Maßnahme halten wir in einem Großteil der Kultureinrichtungen für leicht realisierbar.

CCB Magazin:Ich muss gestehen, das überzeugt mich nicht ganz. Ein Chef einer Kultureinrichtung schafft es nicht von selbst auf die Idee zu kommen, auf Ökostrom umzustellen? Selbst ich habe seit vielen Jahren Ökostrom im Haus. Dafür braucht es nicht viel Grips. Hast du vielleicht noch ein anderes Beispiel, von einer etwas komplexeren Maßnahme?

Ralf Weiß:Oft liegt es nicht nur an einer fehlenden Idee, sondern vielmehr an hemmenden Strukturen oder Vorgaben. Um ein anderes Beispiel aus dem Bereich Kulturerbe zu nennen: Bei der Pflege von Parklandschaften kommen alleine deshalb noch so viele fossil betriebene Fahrzeuge und Maschinen zum Einsatz, weil die Alternativen noch gar nicht verfügbar sind.

Es braucht eine Vielzahl an Akteuren, um Kultureinrichtungen zu unterstützen. Drei oder fünf oder zehn Akteure reichen da nicht aus. Mit Culture4Climate können wir hier zu einer wichtigen Verbreitung beitragen, werden dabei aber auch nur einen Teilbereich abdecken

CCB Magazin:Träger eures Projekts ist das Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur, die Kulturpolitische Gesellschaft und das Öko-Institut. Ich könnte jetzt aus dem Stehgreif noch ein paar andere Initiativen und Projekte nennen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und Kultur befassen. Mal blöd gefragt: Wer soll da noch durchblicken? Sind solche redundanten Parallelstrukturen nicht am Ende sogar nachteilig für die Sache? Möglicherweise auch, weil die geringen Fördergelder, die zur Verfügung stehen, an zu viele Akteure vergeben werden?

Ralf Weiß:(schmunzelt) Das ist natürlich eine klassische Journalistenfrage, um mich hier aus der Reserve zu locken. Ich beantworte die Frage mal so: Nehmen wir das Beispiel erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Dort haben wir bundesweit vermutlich an die hundert Forschungsinstitute, die sich mit diesem Komplex befassen, hinzu kommen Förderprojekte in vier- bis fünfstelliger Anzahl und mehrere tausend Unternehmen und so weiter und so fort. Damit will ich sagen: Wenn es im Kulturbereich fünf oder zehn Akteure gibt, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Kultur befassen, decken sie dabei längst noch nicht den großen Bedarf ab. Man muss bedenken, wir sprechen hier z.B. von über 7.000 Museen, 9.000 öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken, Theater, Kinos usw. Es braucht also auch hier eine Vielzahl an Akteuren, um diese Kultureinrichtungen zu unterstützen. Drei oder fünf oder zehn Akteure reichen da nicht aus. Mit Culture4Climate können wir hier zu einer wichtigen Verbreitung beitragen, werden dabei aber auch nur einen Teilbereich abdecken.

CCB Magazin:Der Klimaforscher Joachim Schellnhuber, den wir für das CCB interviewt haben, hat dem Kulturbetrieb insgesamt unterstellt, beim Thema Nachhaltigkeit nicht in die Gänge zu kommen. Stimmst du ihm zu? Ist der Kulturbereich zu spät auf den Zug aufgesprungen? Und wenn ja, woran lag‘s?

Ralf Weiß:Ich denke, das erfordert eine differenziertere Betrachtungsweise. Zahlreiche Künstler und Filmschaffende haben sich seit vielen Jahren mit dem Thema Klimawandel auseinandergesetzt. Die Themen Natur, Umweltprobleme usw. wurden gerade im filmischen Bereich oder in Ausstellungen häufig thematisiert. Vor 20 Jahren haben Vorreiter auch das Tutzinger Manifest für eine stärkere Rolle von Kultur im Nachhaltigkeitsleitbild initiiert. Anders verhält es sich mit der Auseinandersetzung mit dem eigenen C02-Fußabdruck im Kulturbereich, dieses Bewusstsein existiert erst seit wenigen Jahren. Da liegt der Schellnhuber schon richtig. Woran lag’s also? Von Seiten der Umweltpolitik lag der Fokus lange Zeit auf den großen Emittenten in der Wirtschaft, deshalb sind die Kultureinrichtungen ein bisschen unter dem Radar geblieben. Und auch die Kulturpolitik hat das Thema relativ spät erkannt. Damit hängt auch das Fördersystem zusammen, weil die Kultur natürlich in besonderer Weise auf Fördergelder angewiesen ist.

Der Kulturbereich trägt in Sachen Klimaschutz zu einem Kulturwandel in der Gesellschaft bei, indem er andere Perspektiven eröffnet

CCB Magazin:Als Treiber der Energiewende hat sich die Privatwirtschaft bisher am stärksten hervorgetan. Sie bietet die technologischen Grundlagen dafür und sie hat die größte Reichweite. Wäre es da nicht gerade sinnvoll, Kulturschaffende und innovative Wirtschaftsakteure zusammenzuführen?

Ralf Weiß:Ja, das tun wir auch. Zu unseren Maßnahmen und Modulen gehört es, Tandem-Partnerschaften zwischen Kulturakteuren und Unternehmen zu fördern. Beide Seiten profitieren von einem Wissenstransfer. Die Unternehmen wissen oft gut Bescheid, was Umwelt- und Nachhaltigkeits-Management betrifft, der Kulturbereich brilliert umgekehrt oft durch seine Kreativität und Experimentierfreude.

CCB Magazin:Am 1. April ist Auftaktveranstaltung von Culture4Climate in Berlin und per Livestream. Was erwartet das Publikum?

Ralf Weiß:Es kommen spannende Referent*innen und Akteure, sowohl aus der Graswurzelbewegung wie beispielsweise das Orchester des Wandels als auch von großen Kulturorganisationen wie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es wird eine interessante Berliner Runde geben, wo es um den Kulturbereich und Klimaneutralität in der Hauptstadt geht. Auf die Keynote von Klaus Lederer darf man gespannt sein. Und dann noch eine weitere Runde, wo wir mit verschiedenen Verbänden, z.B. dem Deutschen Museumsbund oder der Deutschen Orchestervereinigung diskutieren werden. Im Zentrum steht vor allem die Frage: was ist der nächste Schritt in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Kulturbereich.


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