Nachhaltigkeit Zurück

Gib Wasserstoff

Gib Wasserstoff
Foto: © Gavin Evans

Bis 2030 sollen 65 Prozent unserer Treibhausgasemissionen gedrosselt werden. Eine Hoffnung liegt auf grünem Wasserstoff. Was kann die Kultur dafür leisten? Welche Rolle kommt ihr zu? Wir sprachen darüber mit Jacob Silvester Bilabel vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit.

 

INTERVIEW  Jens Thomas     uNDJosephine Lass

 

CCB Magazin: Hallo Jacob, du hast vor über zehn Jahren die Green Music Initiative ins Leben gerufen und leitest heute das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit. Momentan beschäftigst du dich u.a. mit dem Thema Wasserstoff. Wird dein Büro bald mit Wasserstoff betrieben?

Jakob Bilabel: Das wäre wünschenswert, derzeit ist das aber noch nicht möglich. Dazu bräuchten wir eine Brennstoffzelle im Keller und eine Wasserstoffzulieferung, die die Brennstoffzelle mit Wasserstoff versorgt. Daraus könnten wir dann aus Wasserstoff Strom erzeugen.

CCB Magazin:Wasserstoff allein macht aber noch keine nutzbare Energie. Ihr wollt in einem neuen Reallabor erproben, inwiefern die Rückverstromung von Wasserstoff möglich wird und was die Kultur dafür leisten kann. Was genau habt ihr vor?

Jakob Bilabel:Wir wollen das Hydrogen Creative Lab ins Leben rufen, um eben diese Fragen zu klären: Inwiefern kann Wasserstoff aus regenerativen Quellen ein neuer Energieträger auch und besonders für die Kultur werden? Und was hat die Kultur davon? Denn Wasserstoff ist an sich ja zunächst mal nur ein Gas und damit ein Speicher von Energie. Wir müssten also Wasserstoff erzeugen und aus Wasserstoff Energie gewinnen - darüber könnten in Zukunft klimaschädliche Energieträger ersetzt werden. Es gibt ja bereits die nationale Wasserstoffstrategie, die über genau solche Fragen nachdenkt. Rund neun Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, für die Kultur allerdings Null. Hier wollen wir die Kultur ins Spiel bringen.

Aus Wasserstoff könnten wir nachhaltige Energie gewinnen. So könnte auf dem Dach eines Museums eine Solaranlage stehen, dazu im Keller eine Wasserstoff-Erzeugungsanlage und eine Brennstoffzelle, die aus dem gespeicherten Wasserstoff Strom erzeugt

CCB Magazin:Und wie? In welchen Bereichen könnte grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen?

Jakob Bilabel:In ganz vielen, denn Kultur braucht vor allem eines: Energie zum Produzieren, Distribuieren, zum Speichern, Archivieren. Diese Energie kommt nur eben noch zu oft aus nicht-nachhaltigen Quellen. In Zukunft könnte aber auf dem Dach eines Museums beispielsweise eine Solaranlage stehen, dazu im Keller eine Wasserstoff-Erzeugungsanlage und eine Brennstoffzelle, die aus dem gespeicherten Wasserstoff wiederum Strom erzeugt. So verbraucht ein Museum jährlich bis zu 12 Millionen kWh, hauptsächlich für Kühlung, Heizung und Lüftung. Ein Theater hat ein Jahresstrom- Energieverbrauch von ein paar hunderttausend kWh. Diese Energie muss erst einmal aufgebracht werden, und die wird in Zukunft teuer. Auch auf Musikfestivals oder Filmdrehs könnte Wasserstoff zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu wummernden, stinkenden Dieselgeneratoren, die gerade bei Festivals eingesetzt werden, könnte hier eine mobile Brennstoffzelle eine echte Alternative sein. Und Wasserstoff bietet sich gut als Energieträger anstelle von Diesel oder Benzin an. Wasserstoff lässt sich zudem relativ leicht und selbst erzeugen, er ist vergleichsweise sicher transportierbar. Und wenn er aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, bleibt er in der Rückverstromung emissionsfrei.

CCB Magazin:Ein Kritikpunkt lautet, dass Wasserstoff in der Erzeugung ineffizient ist. Studien haben gezeigt, dass das Heizen mit Wasserstoff inklusive aller Kosten zwei- bis dreimal so viel kosten würde wie mit Wärmepumpen oder Fernwärme. Und um Strom aus Wasserstoff zu erzeugen, bräuchte es doppelt so viele Windräder oder Solarparks wie jetzt.  

Jakob Bilabel:Ach, das höre ich immer wieder. Wir vergessen dabei aber, dass auch bei Gas, Benzin oder Öl die Energieaufwände - durch Gewinnung und Transport - ähnlich hoch sind, und klimaschädlich sind sie obendrein. Heißt: Die Effizienz-Diskussion bei Wasserstoff wird in meinen Augen falsch geführt. Wasserstofferzeugung macht dort Sinn, wo wir einen Überschuss von Erneuerbarer Energie haben, dann ist Wasserstoff ein vernünftiger Speicher. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn wir unsere Brennstoffzellen mit Wasserstoff aus nicht erneuerbaren Quellen bestromen, können wir uns den ganzen Prozess schenken. Betrachtet man zudem den Energiebedarf der Kultur, schlackern einem die Ohren. Allein bei Musikfestivals werden jedes Jahr in Deutschland um die 400 Millionen Liter Diesel verbraucht. Um das auszugleichen, müsste man viele, viele Tonnen Grünen Wasserstoff produzieren, und diese Kapazität haben wir noch nicht. Noch ist die Brennstoffzelle auch teurer als der Dieselgenerator. Eine Brennstoffzelle aber, die genauso teuer ist wie ein Dieselgenerator, ist nur eine Frage der Zeit. Es gibt sie vielleicht schon in drei Jahren.

Jacob Bilabel vor einem Elektrolyseur, der aus erneuerbarer Energien Grünen Wasserstoff erzeugen kann. Foto: Bilabel 


CCB Magazin:Du forderst rund zehn Prozent von den neun Milliarden aus dem nationalen Wasserstoffplan für die Kultur. Ist das nicht ein bisschen viel? Für was soll das Geld denn eingesetzt werden?

Jakob Bilabel:Ich finde das überhaupt nicht zu viel. Und ich sehe vor allem drei Bereiche: Erstens kann das Geld in die Erzeugung von grünem Wasserstoff im Kontext der Kultur zum Einsatz kommen. Die Kultur könnte hier so zum Prosumenten, sprich zum Konsumenten und Produzenten von erneuerbarer Energie, werden. Zweitens braucht es Pilotprojekte für die Speicherung und den Transport von Wasserstoff, und hierfür bieten sich vor allem die großen Kulturhäuser an. Und drittens kann das Geld in die Anwendung und Verstromung von grünem Wasserstoff fließen.

Ich fordere rund zehn Prozent von den neun Milliarden aus dem nationalen Wasserstoffplan für die Kultur. Denn wir brauchen neue Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft, Technik und der Kultur

CCB Magazin:Aber sollte das Geld nicht dort eingesetzt werden, wo die fachliche Expertise sitzt? Es ist doch unerheblich, ob Experimente auf dem Dach eines Museums oder Sportvereins stattfinden. Zur Fertigstellung braucht es doch ganz andere Disziplinen, die von Umwelttechnikern oder Ingenieuren etc.

Jakob Bilabel:Na sicher braucht es dieses Expertenwissen. Ich fordere auch nicht, dass die Kultur zum Ort des Ingenieurswesens werden soll. Die Kultur kann aber als Anwendungsbeispiel vorangehen und mit den schlauesten Köpfen aus Wissenschaft, Forschung und Projektierung zusammen arbeiten. Was es braucht, sind neue Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft, Technik und der Kultur, denn alle forschen gerade daran: Das Fraunhofer Institut, die großen Energiekonzerne oder Firmen wie HH2E, enapter oder 2hi. Darum sind auch Prototypen so wichtig, und die können auch aus der Kultur stammen oder in ihr erprobt werden. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass die Wirtschaft von der Kultur einiges lernen kann.

CCB Magazin:Ach ja, was denn?

Jakob Bilabel:Erstens: Kultur lebt von der Exnovation, dem Gegenteil der Innovation, der schöpferischen Zerstörung. Denn sie erfindet sich immer neu. Zweitens: In der Kultur gibt es Platz für Experimente. Nicht alles geht gleich auf die große Bühne. Es gibt aber Platz zum Ausprobieren und Testen. Und drittens ist die Kultur durch ständige Exnovation in der Lage, Neues zu lernen und in neue Ideen zu investieren, und zwar ständig. Von diesen drei Eigenschaften können sich viele Industrien eine Scheibe abschneiden.

CCB Magazin:Warum hat es solange gedauert, bis eine nationale Wasserstoffstrategie in Leben gerufen wurde? Warum führen wir die Debatte erst jetzt?

Jakob Bilabel:Ja, warum hat überhaupt alles so lange gedauert? Warum haben wir die nachhaltige Transformation über all die Jahrzehnte verschlafen? Über Jahre dachten wir, dass günstiges Öl und Gas Dauerlösungen sind, erst jetzt gehen uns die Augen auf. Die kurze Antwort lautet: Es gab lange Zeit zu wenig Druck. Wir hatten gefühlt zu jeder Zeit günstigen Strom und mussten uns keine Gedanken um Alternativen machen. Diese Zeit ist jetzt vorbei, und gefragt sind alle: Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und die Kultur.

CCB Magazin:In der Kultur gibt es seit längerem die Angst vor der Verökonomisierung. Könnte sich hier ein neuer Horizont auftun, wenn Kooperationen zwischen nachhaltigen Wirtschaftsverbänden und -branchen und der Kultur entstehen? Entsteht womöglich eine neue Bande für eine neue nachhaltige Kultur und Kultur-Wirtschaft?

Jakob Bilabel:Das ist genau das, woran wir arbeiten. Dieses Potenzial wollen wir mit dem neuen Lab erschaffen und ausschöpfen. Denn ein Reallabor ist der Versuch, unter echten Bedingungen neue Technologien zu erforschen. Eine neue Technologie muss immer mit den Menschen arrangiert werden, sonst bleibt sie eine nackte Idee. Eine interessante Verzahnung von Kultur und Wasserstoff wäre zum Beispiel die einer Energiegenossenschaft. Sagen wir, der Abonnent eines Theater-Jahrestickets zahlt noch einen zusätzlichen Betrag und wird damit Teil einer Genossenschaft, die grünen Wasserstoff erzeugt. Mittlerweile kooperieren wir sogar mit der Deutschen Energieagentur und anderen. Machen wir uns also auf den Weg, zentrale Bereiche wie Solar- und Elektromobilität haben wir längst aus den Augen verloren, hier haben uns die Chinesen den Rang abgelaufen. Wasserstoff ist eines der letzten Felder, wo wir in Deutschland noch Innovationstreiber werden können, und wenn, wann nicht jetzt, und wenn, dann bitte mit der Kultur.


Schon gelesen?

schließen
schließen

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum