Digitalisierung & KI, Karriere Zurück

Andreas Schneid: "Wir sind kein gamifiziertes Notenblatt"

Andreas Schneid: "Wir sind kein gamifiziertes Notenblatt"
Foto: © Michael Bause

Ersetzt die digitale Revolution den Musiklehrer/die Musiklehrerin? Andreas Schneid hat das Start-Up GroovIT gegründet und das innovative Lernspiel "Drum Revolution" auf den Weg gebracht - und wurde dafür mit dem Kultur- und Kreativpilot*innen-Preis 2024 ausgezeichnet. Wir sprachen mit ihm über Idee und Konzept, digitale Lernmethoden der Zukunft und warum selbst das beste Tool keinen Musikunterricht ersetzen kann. 

 

INTERVIEW  Juliette Holtz

 

CCB Magazin:Hallo Andreas, über euer neues digitales Lernspiel wollt ihr die musikalische Bildung über Gamification erleichtern – man verbindet sein eigenes Schlagzeug mit dem Computer, um über das Jump’n’Run-Spiel das Schlagzeugspiel zu erlernen. Nun gibt es bereits zahlreiche Programme und Apps, die digitalen Musikunterricht auf spielerische Weise anbieten. Was ist das Neue daran?

Andreas Schneid: Im Bereich des Schlagzeuglernens gibt es derzeit noch keine vergleichbare Lösung auf dem Markt – die meisten digitalen Lernplattformen konzentrieren sich auf das Klavier. "Drum Revolution" ist in erster Linie ein Lernspiel, ein sogenanntes Jump ’n’ Run-Spiel, das Gamification als spielerischen Ansatz integriert, wobei der gamifizierte Aspekt sekundär ist – es geht uns um den Lerneffekt. Wir sind aber kein gamifiziertes Notenblatt. Und die meisten Schlagzeug-Lern-Apps orientieren sich am „Guitar Hero“-Prinzip, das vor über 20 Jahren als „Rhythmusspiel“ für die Playstation großen Erfolg hatte: Sie basieren auf einem „Reaktionsprinzip“. Bei unserem Spiel dagegen befindet sich der Spieler in einer aktiven Rolle – das Spiel reagiert auf die Aktionen des Spielers, nicht umgekehrt, das ist der entscheidende Unterschied.

Drum Revolution ist ein Lernspiel, das Gamification als spielerischen Ansatz integriert - es geht uns um den Lerneffekt

CCB Magazin:Wie kam die Idee dazu auf? Was hat euch inspiriert? Gab es bestimme Herausforderungen in der musikalischen Bildung, die ihr mit Gamification lösen wollt?

Andreas Schneid:Nach 25 Jahren Schlagzeugunterricht und der Veröffentlichung meines didaktischen Lehrbuchs für Kinder kam mir der Gedanke, dass es total spannend wäre, Lerninhalte in ein neues digitales Format zu transformieren. Denn während es bereits zahlreiche Lern-Videos auf YouTube gibt, fiel mir auf, dass Kinder heute sehr gerne und viel Computerspiele spielen. Der große Vorteil eines Spiels besteht darin, dass es keine negativen Konsequenzen bei Fehlern gibt – im Gegenteil, die Spieler sehen Fehler als Teil der Herausforderung und sind motiviert, es beim nächsten Mal besser zu machen. Ich arbeite mit einer Game-Designerin und einem Animationsstudio zusammen, um dieses Konzept umzusetzen. Wir sind die ersten, die das Lernkonzept vollständig in ein Spiel integrieren, das zukünftig auch durch eine Story im Stil eines klassischen Jump ’n’ Run-Spiels ergänzt wird.

CCB Magazin:Aber wie kann man sich das praktisch vorstellen? Ich bin Person XY und möchte euer Tool nutzen: Wie gehe ich vor? Was passiert da?

Andreas Schneid:Die Voraussetzungen sind ganz einfach: Man benötigt ein elektronisches Schlagzeug und lädt das Spiel aus dem Internet über die Plattform Steam herunter. Nach dem Verbinden des Laptops mittels USB-Kabel mit dem Schlagzeug geht‘s los. Im Spiel steuert der Spieler ein grünes Monster, das durch eine Untergrundwelt voller bunter Rohre läuft, die an eine Kanalisation erinnern und wie eine Treppe nach oben verlaufen. Zu Beginn geht es ums intuitive Ausprobieren: Je nachdem, wo man das Schlagzeug schlägt, springt die Spielfigur auf den Rohren nach oben oder zur Seite. Das Besondere: Es gibt keine Anweisungen, was das Spiel besonders entdeckungsfreudig macht. Viele, mich eingeschlossen, möchten einfach sofort loslegen, ohne zuvor lange Tutorials zu lesen.

Schlagzeuglernen leicht gemacht - das Start-Up GroovIT will es möglich machen. Foto © Michael Bause

CCB Magazin:14,3 Millionen Deutsche spielen in ihrer Freizeit Musik oder ein Instrument, 18,8 Prozent der Bevölkerung ab 6 Jahren. Spätestens seit der Coronavirus-Pandemie gibt es immer mehr Apps auf dem Markt, die versprechen, das Erlernen eines Instruments digital zu ermöglichen.

Andreas Schneid:Unsere Hauptzielgruppe sind Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren. Allerdings können natürlich auch 70-Jährige das Spiel spielen. Mit meiner Game-Designerin haben wir das Spiel so entwickelt, dass es simpel und selbsterklärend funktioniert. Das macht mehr Spaß und die ersten kleinen Erfolge motivieren die Lernenden. Während der Entwicklung habe ich den Prototypen unseres Spiels einem Freund geschickt, der Ergotherapeut ist und in einer Rehaklinik mit Schlaganfallpatient*innen arbeitet . Er erzählte, dass die Patient*innen das richtig super angenommen haben und fand, dass Drum Revolution auch ein tolles Tool für den Reha-Bereich sein kann.

Ich liebe Musikschulen als Orte und möchte keinesfalls die Lehrer*innen dort ersetzen, das Spiel ist ein zusätzliches Tool, das den Unterricht sinnvoll ergänzen kann

CCB Magazin:Du sagst, du setzt dich dafür ein, musikalische Bildung für alle zugänglich zu machen – unabhängig von Wohnort und finanziellen Möglichkeiten. Kann nicht genau das Gegenteil eintreten, dass ihr denen den Job wegnehmt, die mit Musikunterricht Geld verdienen?

Andreas Schneid:Das würde ich nicht sagen. Der klassische Musikunterricht richtet sich ja meist an die bürgerliche Mittelschicht und kostet im Schnitt zwischen 60 und 120 Euro für eine halbe bis dreiviertel Stunde pro Monat. Für Familien mit mehreren Kindern ist das oft unerschwinglich. Mit unserem Spiel können wir das Lernerlebnis für deutlich weniger Geld anbieten. Dazu kommt, dass es auch Spaß macht, in diese fiktive Lernwelt mit dem kleinen grünen Monster einzutauchen. Der Einstieg ist eine andere Erfahrung als der Besuch einer Musikschule, die für einige auch geografisch schwer erreichbar ist. Ich selber liebe Musikschulen als Orte und möchte keinesfalls die Lehrer*innen dort ersetzen. Ich sehe das Spiel als zusätzliches Tool, das den Unterricht sinnvoll ergänzen kann. Das persönliche Miteinander im Unterricht wird meiner Meinung nach weiterhin bestehen, weil wir Menschen einfach soziale Wesen sind.

CCB Magazin: Es gibt über 36.500 Musiklehrer*innen an Musikschulen in Deutschland, doch nicht alle können vom Unterrichten alleine leben und müssen sich nebenbei etwas dazuverdienen oder wechseln an Grundschulen. Wie finanziert ihr euer Projekt?

Andreas Schneid:Es gibt eine kostenlose Demoversion zum Download. Das jetzige Spiel befindet sich in der Beta-Version und kostet 29 Euro. Momentan finanzieren wir das Projekt durch Investoren und Förderungen. Unser langfristiges Ziel ist es jedoch, das Projekt vollständig über die Einnahmen aus den Käufen zu finanzieren. Dafür arbeiten wir gerade an Online-Werbung, um das Spiel bekannt zu machen.

CCB Magazin: Mit einem Computerprogramm zu üben, stelle ich mir auf Dauer etwas einsam vor. Geht dabei nicht das persönliche Moment des gemeinsamen Übens und das direkte Feedback von Lehrer*innen verloren, das oft den Spaß am Erlernen eines neuen Instruments ausmacht? Wird es im Programm auch Möglichkeiten geben, sich zu vernetzen und mit anderen zusammenzuspielen?

Andreas Schneid: Das Thema Multiplayer steht bei uns schon länger im Raum und ich hoffe, dass es in Zukunft Möglichkeiten gibt, sich im Spiel etwa gegenseitig herauszufordern. Eine Idee wäre auch, eine Band über das Spiel zu gründen. Ob das jedoch wirklich attraktiv ist, bin ich mir noch nicht sicher, da ich es persönlich besser finde, wenn sich Menschen im echten Leben im Proberaum treffen und gemeinsam Musik machen.

CCB Magazin: Gerade beim Schlagzeugspielen ist die richtige Technik entscheidend. Wie stellt ihr sicher, dass sich Schüler*innen keine falschen Gewohnheiten aneignen, wenn ihnen dabei niemand auf die Finger schaut?

Andreas Schneid:Anfänger*innen, insbesondere Kinder, können sich zu Beginn nicht auf die Technik konzentrieren. Ich sage immer: „Nimm die Stöcke in die Hand und mach dir keinen Kopf darum, was du tust.“ Anfangs hat man einfach nicht die Kapazität, gleichzeitig auf die genaue Sitzposition, die Stickhaltung und die Musik zu achten. Die präzise Technik kann später im Unterricht erlernt werden, unser Ziel ist es, die Spieler zu motivieren - und das mit Spaß.

CCB Magazin: Wie wollt ihr GrooveIT bekannter machen? Gibt es bereits Kooperationen mit Musikschulen oder anderen Institutionen, um "Drum Revolution" in den regulären Musikunterricht zu integrieren?

Andreas Schneid: Durch mein Netzwerk zu Schlagzeuger*innen und Lehrer*innen-Kollegen stehe ich in regem Austausch. Eine Idee ist, dass Lehrkräfte über einen „Level-Generator“ die Möglichkeit bekommen, eigene Level zu erstellen, die sie ihren Schüler*innen als Hausaufgabe zur Verfügung stellen können. Zudem können wir uns eine Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendclubs vorstellen, wo Kinder und Jugendliche das Spiel auf einem elektronischen Drumset ausprobieren können, ähnlich wie beim Kicker oder Dart.

CCB Magazin:KI verändert gerade den Markt und stellt alles auf den Kopf: Wo siehst du das Potenzial und die Gefahren von KI für das Erlernen von Instrumenten und wo willst du mit dem Projekt langfristig hin?

Andreas Schneid:KI war bei der Entwicklung unseres Spiels bis jetzt kein Thema, da sie aber in immer mehr Bereichen unseres Lebens relevanter wird, stehe ich dem grundsätzlich offen gegenüber. Sollte eine KI in der Lage sein, uns Aufgaben wie das Erstellen von Levels abzunehmen oder zu erleichtern, würde mich das natürlich freuen - momentan ist das für uns jedoch noch Zukunftsmusik.


Schon gelesen?

schließen
schließen

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum