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Bianca Creutz: „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft muss anerkannt werden“

Bianca Creutz: „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft muss anerkannt werden“
Foto: © Koroll

Wie haben sich die Einkommen in den kreativen Berufen entwickelt? Wie hoch ist das Jahreseinkommen? Wie sieht's mit der Rente aus? Eine neue Studie will Licht ins Dunkel der wirtschaftlichen und sozialen Lage von Kreativschaffenden bringen – über die Ergebnisse sprachen wir mit Bianca Creutz von Prognos AG, die die Studie mitbetreut hat. 
 

INTERVIEW  Jens Thomas

 

CCB Magazin:Hallo Bianca, seit Jahren gelten die Arbeitsformen von Kultur- und Kreativschaffenden als prekär. Ihr habt eine neue Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in den kreativen Berufen herausgegeben.  Gibt es etwas, das bisher noch nicht bekannt war? 

Bianca Creutz: Zunächst einmal gab es bisher keine Studie, die die Lage so umfassend betrachtet hat. Darum haben wir haben für die Studie unterschiedliche Datenquellen miteinander verknüpft. Neben sekundarstatistischen Quellen wie dem Mikrozensus oder der Künstlersozialkasse haben wir auch eine Online-Befragung der Betroffenen durchgeführt. Dazu standen wir im engen Austausch mit Branchenakteur:innen, insbesondere der Branchenverbände. Eine weitere Besonderheit liegt zudem darin, dass wir unsere Ergebnisse nach Teilmärkten der KKW (Kreativ- und Kulturwirtschaft) ausgewertet haben, das gab es meines Wissens bisher so noch nicht.  

CCB Magazin:Wie lauten die Kernergebnisse eurer Studie? 

Bianca Creutz:Die Ergebnisse sind, dass das Jahresarbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit bei den Befragten 18.750 Euro bei Vollzeit-Tätigkeit im Jahr 2023 (Medianwert) beträgt. Zudem herrscht eine heterogene Einkommenssituation vor: Jede vierte soloselbstständige Person in der Kultur- und Kreativbranche verdiente 2022 weniger als 1.000 Euro netto im Monat. Jede fünfte Person hat mehr als 3.000 Euro netto im Geldbeutel. Insgesamt haben Soloselbstständige deutlich häufiger sehr niedrigere Einkommen als Erwerbstätige in Deutschland. Über 60 Prozent der Befragten üben auch mehr als einen Beruf/eine Tätigkeit aus – und nur 25 Prozent der befragten Soloselbständigen bewerten ihre wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut. Die häufig niedrigen Einkommen schlagen sich dann zusätzlich in geringen Rentenerwartungen nieder: Der eigene monatliche Beitrag für die Rentenversicherung liegt im Median bei 148 Euro. 40 Prozent der Befragten haben – neben ihrer meist geringen Rente – keinerlei Rücklagen für das Alter.

Das Jahresarbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in der Kultur- und Kreativbranche beträgt 18.750 Euro in Vollzeit. Jede vierte soloselbstständige Person verdiente 2022 weniger als 1.000 Euro netto im Monat. Nur jede fünfte Person hat mehr als 3.000 Euro netto im Geldbeutel

CCB Magazin:Ihr identifiziert auf Grundlage der Ergebnisse entsprechende Maßnahmen, um die soziale Lage von freischaffenden Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verbessern. Wie sehen die aus? 

Bianca Creutz:Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation braucht es zunächst ein förderpolitisches Bekenntnis zu Honorar-Mindeststandards als Förderbedingung auf allen Förderebenen, dazu die Etablierung transparenter, auskömmlicher Kalkulationsstandards. Auch sollte der Ausbau der sozialen Sicherung vorangetrieben werden, so zum Beispiel durch die Förderung einer frühzeitigen Altersvorsorge bei Soloselbstständigkeit und erleichterte Zugangsvoraussetzungen zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung. Und wir brauchen eine Gewährleistung technologiefester Urheber- und Leistungsschutzrechte, zudem einen bedarfsorientierten Ausbau von Förderprogrammen. Nicht zuletzt sollten wir die Angebote zum Berufseinstieg und zur Qualifizierung ausbauen, so beispielsweise durch die Integration von unternehmerischen Aspekten in die Lehrpläne von Ausbildung und Studium – um nur die wichtigsten Maßnahmen zu nennen. 

CCB Magazin:Aber gehen Instrumente wie förderpolitische Maßnahmen zu Honorar-Mindeststandards als Förderbedingung nicht am Kern der Sache vorbei? Kritiker entgegnen, dass auch Kreativberufe am Markt bestehen müssen, unabhängig von öffentlicher Förderung. 

Bianca Creutz:Ich würde es anders formulieren: Einkommen aus Aufträgen für öffentliche Auftragegeber:innen tragen bei 65 Prozent der Befragten mit zum Einkommen bei. Teilweise haben sie einen hohen Anteil am gesamten Einkommen. Honorar-Mindeststandards leisten daher einen wichtigen Beitrag zu auskömmlichen Honoraren aus Aufträgen der öffentlichen Hand. Auch können sie dafür sorgen, das allgemeine Bewusstsein für den monetären Wert künstlerischer und kreativer Leistungen zu stärken beziehungsweise die erforderliche Debatte über auskömmliche Honorare anzustoßen.

40 Prozent der Befragten haben keinerlei Rücklagen für das Alter.  Darum sollte der Ausbau der sozialen Sicherung vorangetrieben werden

CCB Magazin:Wie hat sich die Situation von Kreativschaffenden aufgrund der Corona-Pandemie verändert? 

Bianca Creutz:Der Vergleich der Einkommen in den Jahren 2019 bis 2023 zeigt, dass die Medianeinkommen im ersten Corona-Jahr 2020 am niedrigsten sind, ab 2021 steigen sie dann auf das Niveau von 2019 an und nehmen im Anschluss kontinuierlich zu, wenn auch nur leicht. Allerdings werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die wirtschaftliche Situation von 46 Prozent der befragten Kunst- und Kulturschaffenden aus heutiger Sicht als Verschlechterung im Vergleich zur Situation vor der Pandemie bewertet. Dahingegend sehen 34 Prozent der Befragten keine Veränderung der beruflichen Lage und 15 Prozent sogar eine Verbesserung der finanziellen Situation (15 Prozent). 

CCB Magazin:Eine andere Studie von euch zum Fachkräftemangel in den Kreativsektoren kam zu dem Ergebnis, dass es heute mitunter zur Abwanderung in sogenannte „sichere“ Berufe kommt. Sollten sich Kreativschaffende nicht einfach neue Berufsfelder suchen, wenn sie Sicherheit wollen? 

Bianca Creutz:In vielen Berufen in der KKW ist Selbstständigkeit die gängigste Erwerbsform. Unsere Befragung zeigt, dass die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit mehrheitlich als passend für die Tätigkeit bewertet wird; gleichzeitig scheint es jedoch auch wenig Alternativen/Wahlmöglichkeiten zu geben. Die Soloselbstständigen stellen sich daher breit auf. Eine Mehrheit der Befragten übt mehrere Berufe und Tätigkeiten aus und ist in verschiedenen Teilmärkten aktiv. Unsere Studienergebnisse zeigen auch, dass nur wenige aufgrund der Corona-Pandemie ihre künstlerische Tätigkeit aufgegeben haben. Insgesamt planen nur wenige einen Wechsel der Erwerbsform, jede:r vierte Soloselbstständige erwägt allerdings eine zusätzliche angestellte Tätigkeit.

CCB Magazin:Die häufig niedrigen Einkommen wirken sich auch auf die Möglichkeiten für die Beitragszahlungen in die Rentenversicherung aus – und schlagen sich in geringen Rentenerwartungen nieder. So war jede*r Zehnte zum Zeitpunkt der Befragung nicht rentenversichert, das betrifft vor allem Jüngere unter 35 Jahren. Wie löst man dieses Problem? 

Bianca Creutz:Neben der allgemeinen Verbesserung der Einkommenssituation schlagen wir zwei Empfehlungen zur Verbesserung der Rentensituation vor: Erstens müssen die Zugangsvoraussetzungen für den Grundrentenzuschlag verbessert werden. Aktuell sind ein gewisser Durchschnittsverdienst und lange Grundrenten-Zeiten die Voraussetzung. Auch wenn viele Kreativen auf die nötigen Erwerbsjahre kommen, scheitern sie am erforderlichen Mindesteinkommen. Zweitens plädieren wir dafür, eine frühzeitige Altersvorsorge bei Selbstständigkeit zu fördern. Um das Bewusstsein für das Thema insbesondere bei Berufsstarter:innen zu stärken, erscheint eine gezielte Ansprache mit Hinweis auf die existierenden Beratungs- und Informationsangebote sinnvoll – zum Beispiel über Kunsthochschulen und die Berufs- und Interessenverbände. Eine Förderung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von Berufsstarter:innen zu Beginn einer Soloselbstständigkeit könnte zudem den Einstieg in die Altersvorsorge niederschwelliger gestalten und damit die Inanspruchnahme erhöhen.

CCB Magazin:Letzte Frage: Wie wird sich die Situation von Kultur- und in den nächsten Jahren verändern? Welche politischen Maßnahmen braucht es? 

Bianca Creutz:Die vielfältigen Krisen, die auf unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft einwirken, gehen auch an den Kultur- und Kreativschaffenden nicht spurlos vorbei. Im aktuellen Monitoringbericht, den wir fürs BMWK erstellt haben, steigen die Umsätze und die Beschäftigtenzahlen nach der Pandemie wieder. Blickt man in die einzelnen Teilmärkte und Berufsgruppen, ist das Bild divers. Ich nehme wahr, dass es für viele Soloselbstständige in Kulturberufen nach den Kürzungen der Kulturetats zunehmend schwieriger wird. Wichtig aus meiner Sicht ist, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Politik und der Gesellschaft anerkannt wird. Dazu versuchen wir mit unseren Studien einen Beitrag zu leisten.


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