Karriere
NewStarters: "Wir nennen das gelenkte Integration"
Diar Khal (Foto) hatte mit seinen Brüdern Al und Joudi Khal …
Wie kann sich die Musikindustrie neu erfinden und welche Jobperspektiven braucht es? Mahide Lein ist 73 Jahre alt und belebt die Musikbranche seit 50 Jahren. Ein Gespräch mit einer Frau, die einfach nicht müde wird.
CCB Magazin: Hallo Mahide, stell dich doch bitte kurz vor. Wer bist du und womit beschäftigst du dich?
Mahide: Ich bin Mahide Lein, 73 Jahre jung, und seit 50 Jahren als Kulturvermittlerin aktiv. Ich möchte die ganze Welt kennenlernen und vernetzen - zur Erhaltung und Verbreitung von Lebensfreude.
CCB Magazin: Du sprichst dieses Jahr auf der Most Wanted Music Convention zum Thema ungewöhnliche Karrierewege. Was ist an deinem Karriereweg ungewöhnlich?
Mahide: Oh, das fing schon früh an. Bereits als Kind habe ich mich gegen Ungerechtigkeiten eingesetzt, das ist bis heute so geblieben. So richtig Fahrt aufgenommen hat meine Geschichte allerdings erst 1972: Damals betrieb ich in einem besetzten Haus in Frankfurt am Main mit anderen der Neuen Frauenbewegung ein Frauen-Café - wir organisierten dort Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und politische Diskussionen. Im damaligen Konzert-Business gab es ja kaum Frauen. Darum hatte ich mir auf die Fahnen geschrieben, als Beispiel voranzugehen. Nach dem Café folgten weitere Frauen-/Lesben-Projekte in Frankfurt und Berlin. In den 90ern arbeitete ich mit schwulen Männern am russisch-deutschen Kultur-Austausch zusammen. 1992 organisierte ich die erste CSD in Russland mit. Später, durch meine erste Afrika-Reise in Zimbabwe, wurde meine Lust aufs Neue geweckt, um mit anderen egal welcher Herkunft und Lebensweise zusammenarbeiten.
CCB Magazin: 1996 hast du dann die Konzert- & Event-Agentur AHOI-kultur gegründet...
Mahide: Ja genau. Über AHOI-kultur bringen wir heute über 400 Künstler:innen aus aller Welt zusammen. 12 davon managen wir selbst. Es kommen auch Anfragen von Festivals & Venues, die auf der Suche nach spezieller Kultur, Themen und Musik-Stilen sind. Die finden sie über unser Archiv, das wir über 50 Jahre mit viel Mühe und Leidenschaft aufgebaut haben.
CCB Magazin: Das Thema Queer und Feminismus war damals, als du angefangen hast, ein Aufschrei am Rande der Gesellschaft. Wie hat die Musikindustrie im Laufe der Jahre auf diese Themenfelder reagiert? Was hat sich verändert und wo besteht noch Handlungsbedarf?
Mahide: Die Musikindustrie ist heute offener als vor 50 Jahren, das muss man klar sagen. Nimm als Beispiel die schwule Dragqueen Conchita Wurst: Dass diese Person einmal beim Eurovision Song-Contest eine tragende Rolle hat, wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Auch das Outing von Maren Kroyman als lesbisch freute mich sehr, im Bereich der Line-Ups bewegt sich ebenfalls was, vieles wird diverser. Dennoch darf man sich nicht darauf ausruhen. Die Veranstaltungsbranche ist noch immer männerdominiert.
CCB Magazin: Musik kam in historischer Perspektive immer eine Schlüsselrolle zu. Elektronische Musikstile wie High Energy oder die punkbeeinflusste Riot-Grrrl-Bewegung sind maßgeblich aus einem Genderkontext heraus entstanden. Du bist seit Jahren eine tragende Person der Gender-/Feminsm-Generation. Welche Widerstände musstest du überwinden?
Mahide: Oh, so einige. Als ich in den 80ern anfing, die LGBTQl-XYZ Szene voranzutreiben, gab es im Grunde keine Offenheit. Das war eine anstrengende Zeit. Aber Mut und Humor haben meine Arbeit erträglich gemacht. Heute ist das anders. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch immer Missstände gibt. An einen Jazz-Club in Berlin wollte ich zum Beispiel mehrfach weibliche Acts vermitteln. Meine Anfragen wurden mindestens genauso oft nicht beantwortet. Hier ist noch viel Luft nach oben.
CCB Magazin: In der Musikindustrie gibt es mittlerweile Nachhaltigkeitsberater, es gibt Gleichstellungsbeauftragte für die Kultur. Die Musikindustrie wurde durch Corona besonders hart getroffen. Laut einer Umfrage des Landesmusikrates Berlin sah bereits vor Monaten ein Drittel der Musikschaffenden coronabedingt keine berufliche Perspektive mehr und plante einen Berufswechsel. Wie könnte sich die Musikindustrie neu erfinden? Welche Jobmöglichkeiten könnten entstehen?
Mahide: Das werden wir sehen. Ich bin hier aber hoffnungsvoll. Ähnlich wie aktuell überall Transformationsmanager der Nachhaltigkeit zum Einsatz kommen, könnte es in Zukunft stärker um das Thema Gleichstellung gehen. Man sieht derzeit überall schon sogenannte Awareness-Teams auf Veranstaltungen, die als Ansprechpartner zum Thema Gleichstellung fungieren. Auch bei gestellten Anträgen müssen Veranstalter:innen immer öfter angeben, wie sich das Line-Up zusammensetzt, ob es divers ist oder ob es barrierefreie Zugänge gibt. Hier ist einiges in Bewegung, und das wird auch neue Jobs schaffen.
Auch wenn die Musikindustrie heute offener ist als vor 50 Jahren, darf das nicht über aktuelle Missstände hinwegtäuschen
CCB Magazin: Ihr seid mit AHOI-Kultur auch als Berater:innen für andere Veranstalter aktiv. Zu welchen Themen beratet ihr? Was sind eure Ziele?
Mahide: Ein konkretes Ziel haben wir nicht. Der Weg kommt immer beim Gehen. Insgesamt wollen wir Menschen dabei unterstützen, ihre Events so zu gestalten, wie sie es wünschen - ob Hochzeit, Firmenfeier oder Konzert. Wir sind eine Allround-Beratung. Das beginnt beim Catering und endet bei der Suche nach passenden Acts.
CCB Magazin: Noch mal zu dir: Auf der CSD 2004 wurdest du mit dem Civil Courage Award und auf dem Lesbian and Gay City Festival Berlin 2018 mit dem Rainbow Award ausgezeichnet. Wie genau sieht dein Engagement in dem Bereich aus?
Mahide: Hier habe ich ganz viel gemacht. Ich habe die Irren-Offensive Tribunale und das KultHur-Festival für die Rechte der Sexarbeiter:innen organisiert. Auch die legendären afrikanische Kultur-Salons MoKATO und die ROMANO BIJAV-Festivals hab ich veranstaltet. Außerdem habe ich das FREE TIBET mit den alljährlichen großen Neujahrs-Partys LOSAR auf den Weg gebracht, und mein Fernseh-Format LÄSBISCH-TV gibt es ja auch noch - du siehst, hier kommt einiges zusammen.
CCB Magazin: Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Wie könnte sich die Musikwelt so neu erfinden, damit die Themen Gleichstellung und Feminismus keine Randthemen mehr sind?
Mahide: Ich denke, für diese Themen müssen wir immer wieder aufs Neue streiten. Nichts kommt von selbst. Es braucht für diese Gesellschaft einfach Akteur:innen, die dazu beitragen, unsere Welt offener zu machen. Der Musikindustrie kommt hier eine Schlüsselrolle zu: Sie entwickelt sich immer in dem Rahmen, der ihr von der Gesellschaft gesetzt wird. Wird die Gesellschaft diverser und offener, färbt das auch auf die Musikindustrie ab. Wir haben es selbst in der Hand. Machen wir was draus.
Schon gelesen?
Abonniere unseren monatlichen Newsletter!
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum