Nachhaltigkeit
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Die Festivallandschaft steht vor einem Umbruch: Immer mehr Festivals wollen nachhaltiger werden. Aber wie stellt man auf Nachhaltigkeit um? Wir stellen euch fünf Festivalbetreiber vor, die damit begonnen haben - und fragen, welche Hürden sie nehmen mussten.
Festival ist nicht gleich Festival. Sie unterscheiden sich in Größe und Infrastruktur, in ihrer soziokulturellen und kommerziellen Ausrichtung. Diese Faktoren sind eng miteinander verknüpft und haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung eines Events. Das Shambala Festival in England zum Beispiel hat sich von Anfang an für eine umweltfreundliche und inklusive Ausrichtung entschieden. Seit Entstehung des Festivals im Jahr 2010 konnte der Co2-Fußabdruck um 90 Prozent gesenkt werden, die Besucherzahl bleibt bewusst konstant bei 15.000 Menschen. Der Burning Man dagegen, der sich seit Mitte der 1980er die berüchtigte ‚Leave-no-trace-Philosophie‘ auf die Fahnen geschrieben hat, ist stetig gewachsen und seit Jahren konstant bei 80.000 Besuchern – mit weitreichenden Folgen für die Umwelt.
Was können Festivalbetreiber aber unternehmen, um ihre Co2-Emissionen zu senken? Wo liegen Probleme und Hindernisse? Und: Kostet eine nachhaltige Gestaltung am Ende mehr? Wir sprachen dazu mit den Nachhaltigkeitsbeauftragten vom Wurzelfestival, Burning Man, von der Goodlive GmbH (Melt, Splash!, Full Force u.a.), Bucht der Träumer und der Re:publica.
Mobilität, Transport und Logistik
Der mit Abstand größte Posten der Treibhausgasemissionen jedes Events ist die An- und Abreise der Gäste. Dieser Posten variiert, nicht verwunderlich, je nach Größe und Infrastruktur der Veranstaltung. Laut Atmosfair, einer gemeinnützigen Klimaschutzorganisation, machen An- und Abreise bei Veranstaltungen in Deutschland durchschnittlich 70 Prozent der Gesamtemissionen eines Events aus. Beim Burning Man in Nevada machte dieser Posten nach einer Klimabilanzierung im Jahr 2019 sogar 91 Prozent des gesamten Emissionsverbrauchs des Festivals aus. Insgesamt wurden über 54.000 Tonnen Co2 ausgestoßen, was ungefähr 12.000 PKWs entspricht, die das ganze Jahr über fahren. Fast ein Drittel der Gäste kam aus aller Welt herbeigeflogen – rund 130 Millionen Flugmeilen. Hier werden die Grenzen des Einsparpotentials von Emissionen sehr gut deutlich. Die Burning-Man-Organisatoren werden mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen grünen Treibstoff für Flugzeuge entwickeln. Sie werden keine Anreize schaffen, dass sich alle mit dem Auto kommende Gäste einen Tesla kaufen und sie werden keine Schienen von San Francisco nach Nevada legen (Züge sind in den USA sowieso eine Seltenheit). Nun kann man als Festivalbetreiber sagen, An- und Abreise, das ist nicht mein Problem, ich kümmere mich nur darum, was vor Ort passiert. Freunde macht man sich damit nicht unbedingt, zumindest muss man sich Ignoranz vorwerfen lassen. Was also tun?
Für Veranstalter, die gerade erst beginnen, ein Festival auf die Beine zu stellen, ist die Wahl des Ortes entscheidend. Wer ein Festival in der Wüste veranstaltet, muss damit rechnen, dass es schwer zu erreichen ist. Eine Infrastruktur, die auf das Bahnnetz bzw. den ÖPNV zurückgreifen kann, ist klar im Vorteil. Dazu kommt die gute (oder weniger gute) Erreichbarkeit des Festival-Geländes von der nächstgelegenen Zug- oder Busstation. Wer hier günstige Bedingungen schafft, hat mehr als die halbe Miete drin. Die meisten Festivals im Großraum Berlin beispielsweise sind sehr gut mit dem Regionalverkehr erreichbar. Mit dem Veranstaltungsticket der Deutschen Bahn lässt sich für Teilnehmer von Messen, Kongressen oder Festivals Geld für die An- und Abreise sparen, zumal das Ticket auch für den Nahverkehr gültig ist. Die Veranstaltung muss bei der Deutschen Bahn registriert sein, damit ein Veranstaltungsticket angeboten werden kann. So wird ein Anreiz geschafft, mit der Bahn statt mit dem Auto zu kommen.
Inga Jacobsen (Wurzelfestival): „Wir überlegen das Festivalticket für Autofahrer teurer zu machen. Das ist fair - und es ist ein guter Anreiz, um mit der Bahn oder dem Bus zu kommen"
Eine andere - sehr simple, aber effektive - Sache ist die Entzerrung des Verkehrs zum Festivalgelände, indem man den Beginn des Festivals auf den Abend verlegt. So haben die Gäste ein Zeitfenster eines ganzen Tages, um zu kommen. Ein Shuttleservice von der nächstgelegenen Zug- oder Busstation zum Festival ist ein weiteres Plus. Hier hakt es bei den meisten Festivals. Die Züge sind oft verstopft, Shuttlebusse gibt es keine oder zu wenige und Dienstleister wie Bassliner haben nur begrenzte Kapazitäten. Das Wurzelfestival, das eine knappe Stunde südlich von Berlin liegt, versucht das Problem gemeinsam mit der Deutschen Bahn zu lösen, indem für den Zeitraum des Beginns des Festivals mehr Züge zur Verfügung gestellt werden sollen. Bisher sind die Gespräche aber ergebnislos. Eine Lösung wäre hier ein positiver Präzedenzfall, denn das Problem betrifft sehr viele Festivals in der Region, beispielsweise auch die Bucht der Träumer. Eine Lösung wäre hier ein Anreiz, auf das Auto zu verzichten. Inga Jacobsen vom Wurzelfestival geht sogar einen Schritt weiter. Sie überlegt, „das Festivalticket für Leute, die mit dem Auto kommen, teurer zu machen. Ist das fair, haben wir uns gefragt. Wir denken schon.“ Die Re:publica, die in diesem Jahr in der Arena in Berlin stattfand, hatte Car- und Bike-Sharing-Stationen und Ladestationen für E-Autos auf dem Gelände zur Verfügung. Außerdem hatten sie eine Partnerschaft mit der Deutschen Bahn für einen Ticketrabatt sowie mit weiteren Mobilitätspartnern wie Jelbi und WeShare. Hotels für Crew und Speaker waren alle in Fußnähe zur Eventlocation. Es liegt auf der Hand, dass so etwas nur in einer gut angebundenen (Groß)Stadt funktioniert.
Auf wesentliche Faktoren der An- und Abreise der Gäste wie der Verkehrsanbindung oder der Wahl der Mobilität hat man als Festivalbetreiber nur einen begrenzten Spielraum. Trotzdem kann man über Umwege Ausgleiche finden. Die Organisatoren des Shambala Festivals investieren beispielsweise in Windenergieprojekte in Indien und in andere Co2-Kompensationsprojekte. Auch der Burning Man arbeitet an solchen Kompensationsstrategien. Das können ganz unterschiedliche Projekte sein: die finanzielle Unterstützung von Baumpflanzaktionen, die Investition in erneuerbare Energien oder wie im Falle des Burning Mans Investitionen oder Kooperationen mit Firmen, die Co2-Einlagerungstechnologien entwickeln. Die Bandbreite der Möglichkeiten, Co2 zu kompensieren, ist groß – aber natürlich auch eine Frage des Geldbeutels.
In Sachen hauseigener Mobilität, sprich Logistik und Transport, lässt sich allerdings einiges machen. Das Melt-, Splash!- und Full-Force-Festival ereignen sich immer am gleichen Ort: in Ferropolis. Die geteilte Infrastruktur spart Ressourcen und Transportwege, da viele Lagerflächen vor Ort sind und viele Dinge, beispielsweise Bühnenteile, wiederverwendet werden. Die Bucht der Träumer kooperiert mit einem anderen Festival, das auch am Helenesee stattfindet, und teilt sich die Transportkosten. Und der Burning Man hat Lagerflächen nach Gerlach verlegt, der nächstgelegenen Stadt zum Festivalareal. Die Macher von Kunstwerken, ein Grundelement vom Burning Man, können so ihre Kunstwerke direkt vor Ort bauen und müssen sie nicht mehr mit dem Schiff oder Zug von New York, Berlin und anderen Städten auf der Welt herbringen lassen. Und wer keine Möglichkeiten zur Kooperation oder für Lagerstätte vor Ort hat, kann es wie die Re:publica machen und gezielt mit Logistikdienstleistern aus der unmittelbaren Umgebung zusammenarbeiten – das kann mitunter teurer werden, spart aber Transportwege.
Energieversorgung, Equipment und Design
Hundert Prozent Ökostrom, eigene Solaranlagen auf dem Gelände und so gut wie keine Diesel-Generatoren – so ein Optimum haben die wenigsten Festivals erreicht. Shambala bezieht hundert Prozent Ökostrom, die Re:publica (in diesem Jahr) fast ebenso und in Ferropolis gibt es sogar eigene Photovoltaik-Anlagen auf dem Gelände, mit denen so viel Strom im Jahr ins Netz eingespeist wird wie das Melt pro Festival benötigt. Aber da die meisten Festivalgelände gepachtet sind, hängt auch die Stromzufuhr vom Pächter ab. Nutzt der keinen Ökostrom, kann man ihn auch nicht einfach aus dem Hut zaubern. Hier ist die Wahl des Ortes wieder entscheidend (oder ein Gespräch mit dem Pächter). Auch die Installation von Solar- oder Windkraftanlagen hängt vom Besitz oder Pachtvertrag des Geländes ab. Beim Burning Man, der in Camps organisiert ist, sind es individuelle Camps, die ihren Verantwortungsbereich mit Solarenergie betreiben. Die Burner planen aber bereits einen eigenen Solarpark, der dann in der Breite hauseigenen Ökostrom liefern soll.
Angela Volz (Bucht der Träumer): „Wir haben Experimente mit Solar-Generatoren durchgeführt. Dass man darüber gleich einen ganzen Flor hinkriegt, so mutig waren wir nicht. Das kann aber noch kommen“
Ökostrom oder Investitionen in erneuerbare Energien sind nur eine Sache, um Emissionen zu senken. Viele Bühnen können schlichtweg nicht an den Hauptstromkreis angeschlossen werden und müssen mit Diesel-Generatoren betrieben werden. Alternativen können hier noch in der Erprobung seiende Wasserstoff-Generatoren sein. Oder auch Batteriespeichersysteme. Was das Equipment betrifft scheint LED als Standard für Beleuchtungssysteme fast schon eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und auch durch das Design lässt sich zur Lösung beitragen. Das Wurzelfestival nutzt beispielsweise solare Lichtgiraffen als Beleuchtung im Campingbereich und hat überall kleinere Solarpanels verteilt, mit denen sich dies und das elektrifizieren lässt, auch LED-Systeme. Solche lokalen Designlösungen auf Solarbasis sind auf unterschiedliche Weise nutzbar. Voraussetzung ist allerdings, dass während des Events die Sonne scheint. Angela Volz von der Bucht der Träumer erzählt, dass sie bereits Experimente mit Solar-Generatoren durchgeführt hätten, räumt aber ein, „dass man gleich einen ganzen Flor damit hinkriegt, so mutig waren wir bis jetzt noch nicht. Aber wir versuchen das künftig, wo es geht, umzusetzen.“
Design kann auch anders ein zentrales Element der Energieeinsparung sein. Stichworte: Recycling, Upcycling, Materialauswahl. Laut Bundesumweltamt machen Abfälle aus Produktion und Gewerbe jährlich mehr als 47 Millionen Tonnen in Deutschland aus (Berechnung 2020). Eine grundsätzliche Frage also ist: Brauch ich das oder brauch ich’s nicht? Die Re:publica hat sich beispielsweise dazu entschieden, auf Lanyards, Jutebeutel und anderes Merchandising zu verzichten. Wer nicht verzichten will, kann darauf achten, ob Produkte nachhaltig produziert bzw. biologisch abbaubar sind. Wie bereits erwähnt lassen sich viele Dinge wie Bühnenteile wiederverwenden oder durch Upcycling für andere Zwecke gebrauchen (Schrauben, Molton, Holz etc.). Aus Teilen der Bühne wird dann Mobiliar, aus multifunktionellen Holzmodulen was auch immer. Oder anders: wie das technische Equipment werden Mobiliar, Pflanzen, Deko etc. einfach gemietet. Wie auch immer, die Materialauswahl macht den Unterschied. Die Re:publica hat sich bei ihrer Bühnendekoration z.B. für recycelbares Polyester entschieden. Um Kunststoff zu vermeiden, wollten sie ursprünglich einen bestimmten Nesselstoff (unbehandelte Baumwolle) verwenden, hatten sich dann aber wegen dessen unklarer Herkunft dagegen entschieden, zumal die Herstellung von Baumwolle sehr wasserintensiv ist. Als Kompromiss entschieden sie sich dann für das recycelbare Polyester. Viel Recherche ist notwendig, um geeignete Materialien zu finden. Und es braucht viel Innovation, um ein Upcycling zu ermöglichen. Der Teufel steckt leider im Detail.
Müllmanagement und Catering
Müll gibt es überall wo Menschen sind. Laut Jacob Bilabel vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit ist das Müllaufkommen pro Kopf bei einem Festival nicht wesentlich höher als im Alltag. Aber selbst, wenn es so ist, was ist mit Mülltrennung? Festivals wie der Burning Man oder die Bucht der Träumer verfügen über Recycling-Einrichtungen und Trennstationen. Bei den Festivals von Ferropolis wurden neben einem Sack für Restmüll auch ein Gelber Sack an die Gäste verteilt, was insgesamt gut angenommen wurde. Auf der Fusion und der Bucht der Träumer wird ein Müllpfand von zehn Euro verlangt, um die Gäste zu Sauberkeit und Ordnung zu bewegen (obgleich man spekulieren darf, ob das nicht der falsche Anreiz ist – nämlich mehr Müll zu produzieren, um den Sack vollzubekommen). Und dann sind da noch die Zelte. Rock am Ring hat in Kooperation mit Utopia Zelte und Camping-Equipment ausgeliehen. Es gab Zeltabgabestationen, wo die abgegeben Zelte zu Taschen und Jacken umgenäht wurden. Solche Lösungen können dazu beitragen, dass weniger Zelte liegen gelassen werden. Jacob Bilabel schlägt sogar vor, Zelte mit Festival-Emblemen zu versehen, um ihnen einen sentimentalen Wert zu verleihen – ähnlich wie bei den Festival-Bändchen.
Müll ist aber auch eine Frage der soziokulturellen Dimension eines Festivals. Durch die ‚Leave-no-trace-Philosophie‘ des Burning Mans lässt sich zwar nicht genau eruieren, wie viel Müll pro Camp produziert wird, aber eines ist sicher: jeder muss seinen Müll wieder mit nach Hause nehmen. Die ‚Leave-no-trace-Philosophie‘ ist ein Anreiz, weniger Müll zu produzieren. Die grundsätzliche Frage ist: welche Gäste ziehe ich an? Wer soll mein Publikum sein? Kann ich meinen Gästen abverlangen, umweltbewusster zu handeln oder dürfen sie – gewissermaßen - die Sau rauslassen wie sie wollen? Weniger Müll zu produzieren und die Bereitschaft, Müll zu trennen, ist vornehmlich eine Frage der Einstellung der Gäste. Die soziokulturelle und/oder kommerzielle Ausrichtung eines Festivals hat einen reziproken Effekt auf das Müllmanagement.
Sarah Lüngen (CSR Managerin Goodlive & Gründerin The Changency): „Wir wollen das Gastroangebot in Ferropolis und generell auf unseren Festivals schrittweise pflanzlicher gestalten. Wobei das ein sehr sensibles Thema ist - viele empfinden rein vegane Essensangebote als Bevormundung“
Mit dem Müllaufkommen hängt auch das Catering zusammen. Mehrwegbecher, Mehrwegbesteck etc. mit Pfandsystem sind natürlich ideal, in der Praxis aber nicht immer umsetzbar. Denn was mehrmals genutzt wird, muss auch mehrmals gesäubert werden, was logistisch nicht immer möglich ist. Trotzdem bleibt dies die bevorzugte angestrebte Lösung der Festivalbetreiber, mit denen wir gesprochen haben. Alternativ können auch kompostierbares Besteck und Teller verwendet werden. Wer keine Komplettlösung für das Problem des Cateringmülls hat, kann sich mit Teillösungen abhelfen. Das Wurzelfestival bietet beispielsweise an, Mehrwegbecher zu mieten; die Bucht der Träumer nutzt das Mehrwegsystem Cup Concept. Und last but not least ist da das Nahrungsmittelangebot an sich. Es ist unbestritten, dass ein fleischloses Angebot die Emissionen signifikant senkt. Unbestritten ist auch, dass ein veganes Essensangebot noch emissionsärmer als ein vegetarisches ist. Aber: es ist auch teurer. Und: ein rein veganes Essensangebot wird von vielen als Bevormundung empfunden. So sagt Sarah Lüngen von The Changency z.B., dass sie „das Catering in Ferropolis schrittweise pflanzlicher machen wollen. Aber das ist ein sehr sensibles Thema, in etwa wie das Tempolimit.“ Hier stellt sich erneut die Frage, welches Publikum man anziehen und was man seinen Gästen zumuten kann oder will.
Transparenz und Kommunikation
Entscheidend sind Kommunikation und Transparenz – nach außen wie nach innen. Das Thema Essen ist hier ein gutes Beispiel. Die Entscheidung, nur veganes Essen anzubieten, wie es beispielsweise die Re:publica anstrebt, ist im Wesentlichen eine Frage einer offenen und transparenten Kommunikation. Es lässt sich nicht vermeiden, dass man mit so einer Entscheidung Menschen vergrault. Andererseits: was ändert sich jemals, wenn man immer versucht, es allen recht zu machen? Das Wurzelfestival überlegt, Tickets für Leute, die mit dem Auto kommen, teurer zu machen, eine Art von Co2-Steuer, wenn man so will. Ist das fair? Wie würde so etwas aufgenommen werden? Tuchfühlung mit der Community kann hier hilfreich sein. Die Burner beispielsweise veröffentlichen nach jedem Festival, welche Camps ihren Platz sauber hinterlassen haben. Camps, die nicht ganz so ordentlich gesäubert waren, werden online bloßgestellt, um moralischen Druck auf sie auszuüben; jeder kann nachschauen, welches Camp sich nicht ganz so sehr um die Umwelt schert. Camps, die besonders nachlässig waren, können sogar von einer zukünftigen Teilnahme am Festival ausgeschlossen werden. Der Burning Man ist mit seiner Organisation in Camps natürlich etwas speziell. Aber generell gilt: ganz ohne Druck oder Erwartungen geht es nicht. Menschen sind träge. Aber wenn man ihnen Alternativen aufzeigt und diese transparent kommuniziert, werden sie mit der Zeit wahrscheinlich akzeptiert. Dafür gibt es zahllose Beispiele. Um nur eines zu erwähnen: Rauchverbote in Bars und an öffentlichen Orten werden heute in weiten Teilen der Gesellschaft anstandslos akzeptiert. Wer die politische (und gesellschaftliche) Entscheidungsfindung aber nochmal Revue passieren lässt, wird feststellen, was für ein großes Geschrei es damals darum gab. Viel Lärm um nichts am Ende.
Ein sehr wichtiger Punkt ist vor allem die Kommunikation nach innen: wo liegen die größten Probleme und was kann man dagegen tun? Die meisten Festivals, mit denen wir gesprochen oder über die wir recherchiert haben, haben bis dato noch keine Klimabilanzierung ihrer Co2-Emissionen erstellt. Das ist aber die Grundvoraussetzung, um zu eruieren, wie es in Sachen Nachhaltigkeit beim jeweiligen Festival steht. Nur so können die dringlichsten Probleme ausfindig und Maßnahmen dagegen gefunden und implementiert werden. Die Klimabilanzierung zeigt den Status Quo an. Organisatoren, die gerade erst beginnen, ein Event ins Leben zu rufen, können dieses Tool von Anfang an verwenden und früh erkennen, wo es hakt.
Kosten der Nachhaltigkeit
Nantjen Kuesel (Nachhaltigkeitsmanagement bei der re:publica): „Im Moment verursacht die nachhaltige Produktion Mehrkosten, das muss aber kein dauerhafter Zustand bleiben. Wir gehen sogar davon aus, dass sich durch ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement langfristig nicht nur Ressourcen, sondern auch Kosten einsparen lassen können“
Die Frage nach den Kosten ist auf den ersten Blick leicht zu beantworten: ja, die nachhaltige Gestaltung eines Festivals kostet mehr. Es braucht Personal, um geeignete Maßnahmen zu recherchieren und zu implementieren; Produkte und Dienstleistungen können teurer ausfallen; Investitionen müssen getätigt werden etc. pepe. Nantjen Kuesel von der Re:publica hält jedoch dagegen, „dass sich durch ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement langfristig nicht nur Ressourcen, sondern auch Kosten einsparen lassen können “. Einige Dinge hängen aber auch von einer fortgeschritteneren Technologie ab, z.B. Wasserstoff-Generatoren oder Batteriespeichersystem. Und schließlich sind da noch Angebot und Nachfrage. Ein Grundprinzip des Kapitalismus ist: steigt die Nachfrage, sinken Produktionskosten und Preise. Der Bedarf an Ökotoiletten beispielsweise ist derzeit noch größer als das Angebot, wächst das Angebot, schrumpfen vermutlich auch die Preise. Das gilt im Prinzip für sämtliche Produkte und Dienstleistungen. Langfristig kann sich eine nachhaltige Gestaltung also rechnen. Momentan gibt es noch zu wenige praktische Erfahrungswerte, um hier klare Aussagen zu treffen. Fakt ist, dass es einen Spielraum gibt und sich mindestens Teile der Kosten amortisieren können.
Barrierearmut und Inklusion
Allen Festivalbetreibern war es wichtig, auch die soziale Nachhaltigkeit hervorzuheben. Sprich: möglichst barrierearm und inklusiv zu werden. Das bedeutet, dass viele Festivals mittlerweile gestaffelte Ticketpreise anbieten, um auch Menschen mit kleinem Geldbeutel die Teilnahme zu ermöglichen. Viele Festivals haben Awareness-Teams, Eclipse-Einrichtungen, Safer Spaces oder genderneutrale Toiletten. Es gibt Teams, die sich ausschließlich damit befassen, wie man Barrieren abbauen kann, z.B. Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen Behinderungen die Teilnahme zu ermöglichen. In Ferropolis gibt es sogar einen Bereich, wo NGOs sich präsentieren dürfen, um das Thema Inklusion etc. stärker ins Bewusstsein der Gäste zu bringen. Wie auch immer mit den Themen Inklusion und Barrierearmut jeweils umgegangen wird, sie werden von allen Organisatoren als gesamtheitliches Konzept einer nachhaltigeren Festivalgestaltung betrachtet.
Nützliche Informationen
Das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium haben gemeinsam einen Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen erstellt. Weiter interessante und nützliche Informationen zu nachhaltigen Festivals finden sich auch bei Utopia. Wir selbst haben über dieses Thema bereits ein Interview mit FUCHS & HIRSCH gemacht, die Festivals in Sachen Nachhaltigkeit beraten. Außerdem wird am 25./26. November zum zweiten Mal der Future-of-Festivals-Branchentreff in Berlin stattfinden.
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