Nachhaltigkeit
Viktoria Kanar: "Unser Verfahren ähnelt der Herstellung eines Bieres"
Viktoria Kanar hat das Biotech-Unternehmen Re-Fresh Global gegründet, um Alttextilien wieder …
Ökotoiletten kommen auf Festivals schon länger zum Einsatz, nun setzen sich Trenntoiletten immer mehr durch: Sie sparen Wasser, Ressourcen und sind insgesamt gut für die Umwelt. Finizio stellt solche Trenntoiletten her, basierend auf dem Prinzip Cradle-to-Cradle – und macht aus menschlichen Exkrementen Qualitätshumus. Ein Gespräch mit Jolanthe Stelzer von Finizio über Strategie und Konzept.
CCB Magazin:Jolanthe, du arbeitest für Finizio im Bereich Design und Öffentlichkeitsarbeit. Worin unterscheiden sich Finizios Ökotoiletten von anderen Anbietern?
Jolanthe Stelzer:Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Verwertung der Feststoffe zu qualitätsgesichertem Humusdünger. Dazu betreiben wir die derzeit deutschlandweit einzigartige Pilotanlage, auf der wir seit 2019 an dem Verfahren der Kontrolliert Sauerstoffversorgten Kompostierung (KSK) und der Qualität des Endprodukts feilen. Auch andere Komposttoiletten-Unternehmen wie Goldeimer liefern bei uns an, um die Toiletteninhalte verwerten zu lassen.
CCB Magazin:Bei Ökotoiletten fallen meistens die Begriffe Trockentoiletten und Trenntoiletten. Was sind die Unterschiede?
Jolanthe Stelzer:Bei den Trockentoiletten wird an Stelle einer Wasserspülung eine Streuspülung verwendet. Das Streu deckt die Hinterlassenschaften ab, um Gerüche zu minimieren und vor dem nächsten Gast zu verbergen. Bei Trenntoiletten werden Urin und Kot getrennt gesammelt - so funktionieren unsere Toiletten auch. Der Urin fließt dann beispielsweise durch einen Trichter in einen separaten Tank. In aller Regel werden auch bei einer Trenntoilette die Feststoffe mit Streu abgedeckt – daher werden diese dann häufig als Trockentrenntoilette bezeichnet.
CCB Magazin:Und was macht eure Trenntoiletten nun besonders?
Jolanthe Stelzer:Im Gegensatz zur herkömmlichen Dixi-Toilette verzichten wir vollständig auf Chemikalien. Im Wesentlichen funktioniert unser Toilettensystem wie andere Trenntoiletten: Die Fäkalien werden nicht mit Wasser weggespült, sondern mit einem Streugut bedeckt. Der Unterschied zu anderen Öko-Toiletten-Anbietern ist, dass wir als Streugut Strohgranulat verwenden. Strohgranulat ist nicht so fest und dicht wie Holzspäne und kann daher leichter mit den Fäkalien zu Humus verarbeitet werden. Und genau das machen wir. Zudem sind unsere Festivalkabinen stapelbar. Dadurch reduzieren wir Transportwege. Und durch die Verarbeitung des Kots zu Qualitätshumus binden wir zusätzlich Kohlenstoff. Damit sparen wir insgesamt wertvolles Trinkwasser ein, reduzieren Co2-Emissionen und führen die Nährstoffe zurück in den Kreislauf.
Wir verwenden falt- und stapelbare Trenntoiletten für Festivals und Events – auf diese Weise stapeln wir 40 Kabinen auf die Fläche eines Ehebettes. Das spart Transportwege und damit Co2
CCB Magazin:Ok, bevor wir ins Detail gehen. Wie kann ich eure Toiletten als Festivalbetreiber nutzen?
Jolanthe Stelzer:Wir bieten dir einen All-Inklusive-Service an, inklusive unseres sogenannten Kakastrophenschutzes: vom Aufbau bis zur Reinigung über den Abbau und Transport und die Verwertung zum Recyclingdünger ist alles dabei. Den Service bieten wir natürlich auch für unsere Produkte im privaten und öffentlichen Raum. Während die Festivalkabinen ein reines Mietobjekt bleiben, kann man einige Toiletten und Kabinen im öffentlichen und privaten Segment auch kaufen.
CCB Magazin:Welche verschiedenen Produkte gibt es bei Finizio?
Jolanthe Stelzer:Wir haben drei unterschiedliche Trennsysteme entwickelt: Erstens den PeePot mit dem Teekanneneffekt, bei dem der Urin an einem Edelstahlbogen entlang in eine darunter versteckte Ableitung läuft. Zweitens verwenden wir bei unseren falt- und stapelbaren Festivaltoiletten eine nachträgliche Trennung mittels eines Drainage- und Pumpsystems – auf diese Weise stapeln wir 40 Kabinen auf die Fläche eines Ehebettes. Das dritte System befindet sich noch in der Entwicklung und wird als Trenntoilette für mehrstöckige Wohngebäude entwickelt. Die Trennung und Verwertung der Ausscheidungen steht im Mittelpunkt eines jedes unserer Toilettensysteme.
CCB Magazin:Euere Systeme basieren auf dem Prinzip Cradle-to-Cradle, wonach alles zurück zu seinem Ursprung geführt werden soll. Eure Toiletten kamen kürzlich beim Labor Tempelhof zum Einsatz, wo die Ärtze und die Toten Hosen gespielt haben. Für welche Festivals und Kulturevents habt ihr sonst schon gearbeitet? Wächst die Nachfrage?
Jolanthe Stelzer:Ja, die Nachfrage wächst und unser Team hat sich auch ziemlich schnell vergrößert. Mittlerweile haben wir schon sehr viele Festivals und Kulturevents beliefert. Um nur einige aus diesem Jahr zu nennen: Fusion, Re:publica, dann das erwähnte Labor Tempelhof, zudem das Southside Festival, Feel Festival und viele, viele andere Festivals. Jetzt im Winter produzieren wir, und wir kommen kaum hinterher.
CCB Magazin:Jetzt zum Verfahren. Du hast gesagt, dass ihr in Kooperation mit den Kreiswerken Barnim eine Pilotanlage betreibt, um aus menschlichen Fäkalien Qualitätshumus zu machen, der für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Wie macht man, salopp gesagt, aus Scheiße Humus?
Jolanthe Stelzer:Die Inhalte aus den Trockentoiletten kommen für mindestens eine Woche in einen Hygienisierungscontainer. Hier erzeugen Mikroorganismen in Kombination mit einer Luftzufuhr 70°, wodurch Bakterien wie Salmonellen etc. absterben. Anschließend wird der Inhalt mit Zuschlagsstoffen wie Grünschnitt, Tonmineralen und Pflanzenkohle vermischt und zu einer Miete – einem langen Haufen – aufgesetzt. Durch regelmäßiges Wenden, also ausreichend Sauerstoff-, Feuchtigkeits- und Temperaturregulierung, entsteht innerhalb von acht Wochen ein qualitätsgesicherter Humusdünger.
CCB Magazin:Anschlussfrage: Bei der Erhitzung der Fäkalien in Kombination mit der Luftzufuhr werden sämtliche Bakterien abgetötet. Sterben dadurch aber nicht auch die Mikroorganismen ab, die für die Humifizierung notwendig sind?
Jolanthe Stelzer:Ja, viele Mikroorganismen sterben bei der Hygienisierung. Darum geben wir anschließend Tonminerale, Pflanzenkohle und ungefähr zehn Prozent fertigen Kompost dazu, der bereits die richtigen Mikroorganismen für die Humifizierung enthält. Man nennt das im Fachjargon auch eine Impfung geben.
CCB Magazin:Über eure Verfahren wird Kot zu Humus verarbeitet. Lässt sich nicht auch aus Urin Nährstoffe zurückgewinnen?
Jolanthe Stelzer:Ja, lässt sich. Aus Urin lässt sich sogar noch mehr Stickstoff zurückgewinnen als aus Fäkalien. Wir sind bereits dabei eine Urinaufbereitungsanlage zu verwirklichen. Einen Teil des Urins benötigen wir bereits, um unseren Humusdünger mit Stickstoff anzureichern.
Qualitätshumus aus menschlichen Fäkalien enthält wichtige Nährstoffe wie Phosphor oder Stickstoff, die für die Landwirtschaft genutzt werden können. Bis zu 25 Prozent der Nährstoffe für Düngemittel ließe sich aus unseren Ausscheidungen zurückgewinnen
CCB Magazin:Was ist eigentlich so schlimm daran, Fäkalien zu verbrennen?
Jolanthe Stelzer:Weil wichtige Nährstoffe wie Phosphor oder Stickstoff vernichtet werden, die für die Landwirtschaft genutzt werden können. Unter großem technischem und energetischem Aufwand werden heute Stickstoff und andere Düngemittel abgebaut oder künstlich hergestellt. Das verbraucht zwei Prozent des globalen Energieverbrauchs. Das Betreiben von Kläranlagen verursacht darüber hinaus nochmals drei Prozent. Macht insgesamt fünf Prozent des globalen Energieverbrauchs. Einen signifikanten Teil der Düngemittel, mindestens 25 Prozent, ließe sich aber aus unseren Ausscheidungen zurückgewinnen. Mit viel geringerem Energieaufwand und gleichzeitigem Humusaufbau.
CCB Magazin:Aber hat die Landwirtschaft überhaupt Bedarf an weiterem Humus? Die Landwirtschaftsbetriebe haben doch schon viel zu viel Gülle und wissen nicht wohin damit.
Jolanthe Stelzer:Hier muss man unter stabilen und instabilen Stickstoffverbindungen unterscheiden. Stickstoff, der beispielsweise in Gülle enthalten ist, kann von Pflanzen nur zum Teil aufgenommen werden, der Rest versickert in Form von Nitrat und Ammoniak in unser Grundwasser. Das ist schlecht. Unser Qualitätshumus besteht aber aus stabilen Stickstoffverbindungen, die von den Pflanzen verarbeitet werden können.
CCB Magazin:Ok. Aber warum dann nicht einfach aus der Gülle Qualitätshumus machen? Wieso aus menschlichen Fäkalien?
Jolanthe Stelzer:Natürlich sollten auch tierische Exkremente aufbereitet werden, bevor sie auf dem Feld ausgebracht werden. Mitunter um die - bei den Tieren sogar noch höheren - Medikamentenrückstände zu beseitigen. Aber auch um beispielsweise instabile Stickstoff-Verbindungen zu stabilisieren.
CCB Magazin:Nachhaltigkeit hat zum Schluss immer etwas mit dem Energieverbrauch zu tun. Habt ihr den Energieverbrauch eurer Pilotanlage für den Einsatz eines ganzen Landkreises mal hochgerechnet?
Jolanthe Stelzer:Solche Zahlen werden gerade innerhalb des zirkulierBAR-Projektes berechnet. Sobald wir sie vorliegen haben, werden wir sie veröffentlichen.
CCB Magazin:Zum Schluss: Was ist eure Vision? Wie sieht das Sanitärsystem der Zukunft aus?
Jolanthe Stelzer:Unsere große Vision ist es den menschlichen Nährstoffkreislauf zu schließen – und der heutigen Generation in der ganzen Aussichtslosigkeit zwischen Klimawandel und Co einen langen Hebel in die Hand zu geben. Eine Perspektive: Raus aus der Ohnmacht. Wie unser Sprichwort besagt: Nach uns der Humus!
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