Nachhaltigkeit
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Katja Bäuerle ist CR-Managerin bei der UFA und beschäftigt sich mit der Dekarbonisierung des Films - darüber sprach sie auf der diesjährigen MediaTech Hub Conference. Wir sprachen mit ihr.
CCB Magazin: Katja, das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Filmproduktion zunehmend an Gewicht. Du beschäftigst dich mit der Dekarbonisierung des Films. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Katja: Ich bin CR-Managerin bei der UFA und befasse mich mit der gesellschaftlichen Verantwortung, die wir als Produktionsunternehmen und Arbeitgeber tragen. Zu dieser Verantwortung gehört natürlich auch die Dekarbonisierung, also die signifikante Reduzierung unserer CO2-Emissionen durch eine langfristige Veränderung unserer Produktionsweise.
CCB Magazin: Welche Etappen auf dem Weg einer "dekarbonisierten" Produktion sind grundsätzlich zu beachten?
Katja: Eine CO2-effizientere Produktion beginnt schon bei der Planung. Hier ist es ratsam, eine Soll-CO2-Kalkulation zu erstellen. Auch eine enge und transparente Kommunikation mit dem Produktionsteam zu den geplanten Green-Producing-Maßnahmen ist wichtig, genauso die Ist-CO2-Kalkulation nach Abschluss der Postproduktion.
Eine CO2-effizientere Produktion beginnt schon bei der Planung. Allerdings muss sich der Markt erst den sich verändernden Anforderungen anpassen, was mit hohen Investitionen verbunden ist
CCB Magazin: Kannst du konkrete Beispiele bringen, wie und an welchen Stellen Emissionen und Energieverbrauch in einer Produktion gesenkt werden können?
Katja: Das formal einfachste Mittel ist ein Umstieg auf Ökostrom, wo immer das geht, in Studios und der Postproduktion, aber auch beim Bezug von Feststrom in den Locations. Dann geht es darum, Energie und Ressourcen einzusparen, z.B. durch den Einsatz energieeffizienter Leuchtmittel oder E-Autos. Im Catering kann zusätzlich durch die Reduzierung tierischer Produkte und die Bevorzugung regionaler Lebensmittel ein großer Impact erreicht werden. Und innerhalb von Deutschland sollte nicht geflogen werden!
CCB Magazin: Wo liegen denn die Probleme? An welchen Stellen hapert die strukturelle Umgestaltung hin zu mehr Nachhaltigkeit im Filmbereich?
Katja: An vielen Stellen muss sich der Markt den sich verändernden Anforderungen erst anpassen, was teilweise mit hohen Investitionen für verschiedene Kooperationspartner verbunden ist, so z.B. bei den Fahrzeugverleihern, den Anbietern von Generatoren oder dem Hotelgewerbe. Auch bleiben wir nicht von den momentan extrem steigenden Energiekosten verschont, die on top zu den Mehrkosten für Green Producing kommen.
CCB Magazin: Bislang existieren verschiedene Leitfäden und Checklisten, die Produktionsfirmen helfen sollen, ihre Arbeitsschritte nachhaltiger zu gestalten - so gibt es beispielsweise von Green Shooting ökologische Mindeststandards. Warum werden solche Maßnahmen nicht flächendeckend umgesetzt?
Katja: Die ökologischen Mindeststandards des Arbeitskreises Green Shooting um Carl Bergengruen von der MFG Baden-Württemberg sind von der Branche entwickelte Standards. Zahlreiche Sender, Streamer, Förderer, Verbände und Produzent*innen waren in die Entwicklung involviert. Hier hat man sich in weiten Teilen dazu verpflichtet, an der Umsetzung dieser Standards zu arbeiten. Die Film- und Fernsehlandschaft Deutschlands ist jedoch extrem vielfältig. Wir sprechen hier ja nicht nur von Filmen, sondern auch von Shows, Dokumentationen, Nachrichten, kleinen Reports oder großen Kinoproduktionen. Zeitliche, budgetäre und produktionelle Rahmenbegingungen variieren im Feld extrem. Ein Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit kann darum nicht innerhalb weniger Monate und schon gar nicht für alle gleich schnell funktionieren.
CCB Magazin: Der Arbeitskreis Green Shooting um Carl Bergengruen hat auch das sogenannte Green Motion Label herausgebracht, ein Zertifikat, das Mindeststandards an nachhaltigem Handeln im Filmbereich festsetzt und entsprechend betstätigt. Es basiert allerdings auf Freiwilligkeit. Brauchen wir Maßnahmen, die verpflichtend sind?
Katja: Dass das Green Motion Label auf Freiwilligkeit basiert, liegt vor allem daran, dass nicht alle Maßnahmen immer und überall in Deutschland umsetzbar sind. Wir wollen unserer Branche nicht den Garaus machen. Zugleich muss Green Production in der Zukunft so selbstverständlich sein wie der Arbeitsschutz. Aber wir brauchen Zeit, um umzulernen, uns anzupassen und offene Fragen zu beantworten. Wir haben aber auch nicht ewig Zeit.
CCB Magazin: Wenn du dir den internationalen Vergleich anschaust, welche Länder gehen in puncto Nachhaltigkeit am meisten voran? Welche hinken hinterher? Was sind die Gründe dafür?
Katja: Ich habe leider keinen Überblick über den Nachhaltigkeits-Status Quo der globalen Produktionslandschaft. Mir scheint, dass der britische Markt schon sehr gut entwickelt ist, dort wurde mit Albert auch schon sehr früh ein CO2-Kalkulator und damit ein Bewusstsein für die Missstände unserer Branche geschaffen. Ich habe aber grundsätzlich den Eindruck, dass wir auch in Deutschland schon recht weit sind, zumindest in den Diskussionen und im Bewusstsein. Ich habe gerade einige Monate in Australien produziert, da war Nachhaltigkeit eigentlich kein Thema, weder gesellschaftlich noch in der Film- und Fernsehbranche. Und das erleben wir bei Drehs im euroäischen Ausland auch regelmäßig.
Wir wollen unserer Branche nicht den Garaus machen. Aber wir haben nicht ewig Zeit. Vor allem brauchen wir die Unterstützung von der Politik, damit der nachhaltige Transformationsprozess gelingt
CCB Magazin: Ein Problem der Branche ist die Mobilität, weil zu Drehs und Shootings permanent geflogen wird. Die Firma Frame Dealers verkauft bereits existierende Filmszenen als Stock Footage. Dadurch können lange Reisewege für kurze Sequenzen an anderen Orten eingespart werden. Wäre das die Lösung des Problems? Und wie wäre das mit dem Anspruch an Echtheit zu vereinbaren, den die Branche an sich stellt?
Katja: Interessante Frage, man könnte hier die virtuellen Studios hinzuzählen, in denen vor großen LED-Wänden fast jeder erdenkliche Hintergrund hergestellt werden kann. Ein ganzer Film, in den Bergen oder auf einem Schiff, kann so problemlos im Studio entstehen. Das wird in Zukunft sicher einige Reisen verhindern oder Drehs überhaupt erst möglich machen. Allerdings lässt sich nicht jede Erzählung und Produktion via Stock Footage arrangieren. Aber ein spannender und moderner Stock-Footage-Katalog kann hilfreich sein.
CCB Magazin: Das Vorhaben, Nachhaltigkeit in Arbeitsabläufe, Unternehmen oder Filmproduktionen zu integrieren, wird von vielen heute auch als Belastung wahrgenommen - so verlangen Fördergeber etc. zunehmend ökologische und grüne Standards. Welche politischen Maßnahmen und Unterstützungsleistungen braucht es, damit die Filmbranche in Zukunft am Anspruch der Nachhaltigkeit nicht verzweifelt?
Katja: Wenn du mich das als Produzentin fragst, sage ich, es braucht mehr Geld. Aktuell ist das grüne Produzieren nicht kostenneutral. In Teilen, abhängig von Genre und Produktionsform, ist es sehr kostenintensiv. Auch können die Dienstleister ihre Investitionen in neue Technologien nicht so schnell tätigen, wie sie das gerne täten und wie das aus Perspektive unseres Planeten dringend notwendig wäre. Also ja, die Branche ist von Förderungen abhängig. Aber natürlich gibt es auch ganz praktische Maßnahmen, die wünschenswert wären, wie eine bessere Feststrominfrastruktur, damit der Einsatz von Diesel-Generatoren weiter reduziert werden kann, oder mehr E-Ladesäulen. Hierzu braucht es politische Unterstützung. Nur so kann der nachhaltige Transformationsprozess gelingen.
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