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Komm schon, kauf mich

Komm schon, kauf mich
Foto: © reverse.supply

Sie sind die diesjährigen Ecodesign-Preisträger in der Kategorie Service: reverse.supply hat der Überproduktion von Mode-Konsumgütern den Kampf angesagt. Ihr Ziel ist es mit ihrer Recommerce-Plattform Treibhausgase in der Modebranche einzudampfen. Wie das gelingt - darüber sprachen wir mit einem der Gründer.
 

INTERVIEW  Boris Messing

 

CCB Magazin:Euer Unternehmen reverse.supply ist ein Lösungsansatz, um der Überproduktion von Konsumgütern im Modebereich zu begegnen. Wie funktioniert euer Lösungsansatz in der Praxis?

Janis Künkler:Mit unserer Recommerce-Plattform geben wir Modeunternehmen die Möglichkeit, gebrauchte Ware von ihren Kunden zurückzukaufen und ihr somit einen zweiten Lebenszyklus zu geben. Außerdem können Modehändler über die Plattform B- und Retourenware nachhaltig und ökologisch sinnvoll wieder in die Kreislauf zurückführen. Wir übernehmen dabei sämtliche internen operativen und technischen Prozesse beim Wiederverkauf der Ware: Ankauf, Verkauf und Aufbereitung der Ware läuft über uns. Unser Ziel ist es, dass für Konsument*innen der Kauf eines Secondhand-Produkts dem Kauf von Neuware in nichts nachsteht! 

CCB Magazin: Wer sind eure Händler? 

Janis Künkler:Wir haben momentan sieben strategische Partnerschaften, vor allem mit Monobrands aus dem Fair Fashion Bereich, wie z.B. Armedangels, als auch große Sport- und Outdoor Marktplätze wie Bergzeit und Globetrotter.

CCB Magazin:Das Problem ist aber der Fast-Fashion-Bereich um Modeketten wie H&M, Zara und Co. Erreicht ihr die auch? Wollt ihr die überhaupt erreichen?

Janis Künkler:Wir können aktuell nicht jeden Artikel wieder in den Kreislauf zurückbringen. Besonders Fast Fashion stellt eine große Herausforderung im Recommerce dar. Wir können aktuell natürlich durch ein breites Angebot im Secondhandbereich hier eine sinnvolle Alternative bieten, eine wirklich nachhaltige Rücknahme ist aber nicht möglich.


Oben: Sieht aus wie neu. Unten: Angestellte bereiten Kleider auf. Fotos: reverse.supply

CCB Magazin:Seit Anfang des Jahres gibt es ein neues Lieferkettengesetz, das Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern zu mehr Transparenz zwingt. Was bedeutet das für eure Arbeit? Seid ihr und eure Händler davon betroffen? 

Janis Künkler:Wir legen großen Wert auf die Auswahl unserer Partner und haben selbst hohe Nachhaltigkeitsstandards. Inwieweit unsere Händler davon betroffen sind, lässt sich nicht pauschal sagen, wir sehen aber, dass Transparenz in der Produktion und der gesamten Lieferkette einen immer größeren Stellenwert einnimmt. 

CCB Magazin:Die Second-Hand-Ware der Händler wird von euch wiederaufbereitet und steht dann erneut zum Verkauf zur Verfügung. Wie läuft dieser Prozess konkret ab? Wie groß ist der technische Aufwand? Wer kontrolliert die Prozesse? 

Janis Künkler:Die Besonderheit an der Arbeit mit Secondhand-Kleidung ist, dass jedes eintreffende Kleidungsstück ein Einzelstück ist und als solches behandelt werden muss. Das erfordert neben einer speziellen Technologie, viel Handarbeit. In einem eigenen Warenlager in Berlin sichten professionelle Produktbewerter*innen die zurückgegebenen Kleidungsstücke anhand verschiedener Merkmale. Unsere Produktbewerter*innen sind geschult darin, innerhalb kürzester Zeit die Kleidung zu inspizieren und anhand verschiedener Merkmale einzustufen. Insgesamt wird jedes Kleidungsstück, welches wiederverkauft wird, auf bis zu 30 Punkte geprüft - dazu gehören Gerüche oder mögliche Schäden, wie Löcher oder ein fehlender Knopf und vieles mehr. Wir dampfreinigen auch alle Kleidungsstücke, bevor sie für den Onlineshop unserer Kunden fotografiert werden. 

Durch unsere Software kann sowohl ein Ankaufsportal in die Websites unserer Mode-Kunden als auch ein komplett gebrandeter Onlineshop für Secondhandware integriert werden

CCB Magazin:Ihr habt auch eine Software entwickelt, die die Qualität eurer Ware bestimmt. Um was handelt es sich da genau?

Janis Künkler:Durch unsere eigens entwickelte Software kann sowohl ein Ankaufsportal in die Website als auch ein komplett gebrandeter Onlineshop für Secondhandware integriert werden. In der Software wird jedes Merkmal von unseren Produktbewerter*innen in ein Gradingsystem hinterlegt. So werden alle Daten über das Kleidungsstück erfasst. Zusätzlich setzen wir Machine Learning im gesamten Preisbestimmungsumfeld und bei der Priorisierung der Bearbeitung ein. Nachdem die Kleidungsstücke bewertet und fotografiert wurden, werden sie über unsere Software wieder in den Onlineshop unserer Mode-Kunden für den Wiederverkauf eingestellt. 

CCB Magazin:Was bedeutet das, ihr setzt Machine Learning in der Preisbestimmung ein? Vergleicht die KI Preise auf dem Markt mit ähnlicher Qualität? 

Janis Künkler:Wir prüfen tatsächlich die Preise anhand von verschiedenen Kriterien. Abhängig von der Preisgestaltung sind das Alter der Produkte, Nachfrage („Vintage-Faktor“) aber auch Marktpreise im Online Bereich. 

CCB Magazin:Haftet ihr auch rechtlich für Mängel an der Ware oder ist der Händler dafür verantwortlich? Spielt das überhaupt eine Rolle?

Janis Künkler:Nein, wir haften nicht für die Mängel. Kaputte Ware können wir aktuell leider nicht wieder verkaufen, da sie von Kunden sofort retourniert wird. Als Händler geben wir aber selbstverständlich ein Jahr Garantie und ein mindestens 14-tägiges Umtauschrecht. 

CCB Magazin:Was kostet die Händler euer Service?

Janis Künkler:Die Kosten lassen sich nicht pauschal für einen Partner zusammenfassen. Je nach Angebotswunsch und Aufwand können sich diese nämlich erheblich unterscheiden.

CCB Magazin:Ihr habt reverse.supply zu dritt gegründet. Wie kam es dazu? Gab es einen auslösenden Moment dafür?

Janis Künkler:Das Gründungsteam besteht aus mir, Max Grosse Lutermann und dem CTO Konrad Hosemann. Wir drei haben jeweils unterschiedliche Erfahrungen im Modemarkt gemacht, die uns dazu bewegt haben, eine nachhaltige Lösung für den Wiederverkauf von Kleidung für Modeunternehmen zu entwickeln. Speziell Max Grosse Lutermann hat einige Jahre in Asien gearbeitet und versucht in Textilfabriken vor Ort nachhaltige Strukturen zu etablieren. Nach dieser Erfahrung wollte er etwas entwickeln, was nachhaltig für eine Veränderung in der Modeindustrie sorgt. 

Men in black: Die Gründer v.l.n.r., Max Grosse Lutermann, Konrad Hosemann und Janis Künkler. Foto: reverse.supply

CCB Magazin:Recommerce, das heißt, der Kauf von Second-Hand-Ware, ist im Trend. Die Zahl der Marken mit eigenen Wiederverkaufsläden ist von 2020 bis 2021 um ganze 275 Prozent gestiegen. Vier von zehn Deutschen sind laut einer Studie zudem bereit, im neuen Jahr nachhaltiger einzukaufen. Wie viele Kleidungsstücke habt ihr bereits wieder auf den Markt gebracht?

Janis Künkler:Wir haben in den vergangenen sechs Monaten knapp 150.000 Teile wiederverkauft und natürlich noch mal mehr Artikel von Kunden eingesammelt. Deutlich wichtiger ist uns aber, was für einen Impact unser Programm hat: Durch unseren Wiederverkauf konnten wir über 235t CO2eq einsparen. 

Wir haben in den vergangenen sechs Monaten knapp 150.000 Teile wiederverkauft. Damit konnten wir 235t CO2eq einsparen

CCB Magazin:Woraus ergibt sich die Zahl von 235t CO2eq?

Janis Künkler:Wir haben errechnet, wie sich das Angebot eines Secondhandprogramms auf die CO2-Bilanz auswirken kann und neue Emissionen durch wiederholtes Inverkehrbringen vermeiden lässt. Die Gesamtheit aller verkauften Secondhandartikel im Jahr 2022, die als Alternative zu Neuware gekauft wurden, summieren sich auf dieses Äquivalent. 

CCB Magazin:Wie hat sich euer Unternehmen bisher entwickelt und wohin wollt ihr euch noch entwickeln?

Janis Künkler:In den vergangenen zwei Jahren, seit Gründung, haben wir schon einiges erreicht und sind stolz darauf, dass unsere Idee funktioniert. Wir werden uns in den nächsten Monaten sehr auf die Weiterentwicklung unseres Produktes konzentrieren und mit unseren Bestandskunden das Angebot ausbauen. 


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