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David Stammer ist Experte für KI-Tools in der Musikproduktion und produziert auch selbst. Im Gespräch mit uns erklärt er, wie und wo heute bereits KI im Musikbereich eingesetzt wird und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
CCB Magazin:Hallo David, du bist Dozent an der Popakademie in Mannheim mit Schwerpunkt digitale Innovation. Außerdem organisierst und veranstaltest du das Future Music Camp. Machst du auch selbst Musik?
David Stammer:Ja. Ich produziere auch eigene Musik. Angefangen habe ich als DJ vor mehr als 15 Jahren, habe Mixes und Beats auf Soundcloud veröffentlicht und 2021 eine erste EP gemacht. Ich komme eigentlich aus der jazzy Hip-Hop Ecke, aber meine Musik entwickelt sich stark in eine elektronischere Richtung. Ich habe hier in Mannheim auch ein kleines Label, mit dem wir Veranstaltungen im House-Bereich machen und Platten produzieren.
CCB Magazin: KI-Tools werden immer häufiger in der Musikproduktion eingesetzt. Wo liegen denn ihre Anwendungsbereiche?
David Stammer:Da gibt es eine ganze Menge. Automatisiertes Mastering mit Hilfe von KI-Tools funktioniert beispielsweise schon ganz gut. Auch beim Mixing ist KI Bestandteil vieler Plug-Ins, zum Beispiel bei Equalizern. Dann gibt es im Bereich der Musikgenerierung viele Plugins, die derzeit aber noch nicht ganz ausgefeilt sind. Die kann ich in Ableton oder einer anderen Musiksoftware implementieren: Google Magenta baut mir beispielsweise einen Beat weiter, den ich kreiert habe, schlägt mir z.B. Drum-Pattern-Variationen vor. Das gleiche kann mit Melodien gemacht werden, wo mir die KI alternative Melodien vorschlägt oder meine Melodie weiterführt. Loops einzelner Spuren oder ein Loop der Masterspur können von KIs analysiert und auf Basis der Analyse alternative Loops vorgeschlagen werden. KI wird auch im Bereich Sprachsynthese und Voicecloning eingesetzt. Das ist natürlich nicht unbedingt legal. Das bekannteste Beispiel ist ein mit KI-generierter Deep-Fake-Song, der als ein neuer Drake & The Weekend Song ausgegeben und später wieder gelöscht wurde. Es gibt mittlerweile aber auch Artists, die Lizenzen an andere herausgeben, damit sie ihre Stimme klonen und für eigene Tracks verwenden dürfen. Und seit 2023 kommen die ersten Text-To-Music-Tools auf den Markt, bei denen auf Textbasis kleinere Musikschnipsel generiert werden können.
CCB Magazin:Lassen sich durch KI-Tools zum Mischen oder Mastern Musikproduzenten ersetzen oder erleichtern sie nur deren Arbeit? Wie verändert sich die Rolle von Produzent*innen dadurch?
David Stammer:Ich glaube nicht, dass der Beruf eines Mixing- oder Mastering-Ingenieurs ersetzt wird. Die KI-Tools sind eine nützliche Ergänzung, den Sound des Mixings bestimmt aber immer noch der Produzent selbst. Was sich jedoch ändert ist die Arbeitsweise wie Musik gemacht wird. Durch KI lassen sich Arbeitsprozesse beschleunigen, sie können aber auch inspirierend sein. Wenn man ein bisschen weiterdenkt, könnte es noch gravierendere Änderungen geben: Im Bereich Text-to-Music z.B. kann man Musikteile durch sogenannte Text-Prompts als Midi-Noten oder Audio erschaffen. Ich sage der KI, welche Charakteristika ich für eine bestimmte Melodie haben will und sie erzeugt sie dann. Wenn wir diese Entwicklung weiterdenken, könnte sich die Arbeit eines Produzenten zumindest auf handwerklicher Ebene stark verändern.
CCB Magazin:Für welche Bereiche lässt sich KI-generierte Musik schon heute gut einsetzen?
David Stammer:Alles, was mit funktionaler Musik zu tun hat, funktioniert recht gut. Beispielsweise Hintergrundmusik in der Lounge oder Musik für Werbung. Dass KI ganze Popsongs kreiert, halte ich aber eher für unwahrscheinlich, das wäre auch nicht besonders spannend. Warum sollten wir noch mehr langweilige generische Musik hören wollen? Zumal das Hören von Musik oft mit bestimmten Bands oder Musiker*innen und deren Biografien verbunden wird, Stichwort Storytelling. Die Unterscheidung von Kunst und Gebrauchsmusik ist hier sehr wichtig. Und die Möglichkeit, in einen Prozess der Co-Kreation mit KI zu gehen und so neue Ideen und noch nicht dagewesene Kunst zu entwickeln.
Je generischer oder schematischer mein Job oder meine Musik ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Teile meines Jobs durch KI ersetzt werden – also alles, was gut automatisiert oder nachgeahmt werden kann
CCB Magazin:Wie sieht es mit Studiomusiker*innen aus: Stellt KI für sie eine Gefahr dar? Könnten sie beispielsweise einen Gitarristen ersetzen, der einen Part für ein Lied einspielen soll?
David Stammer:Wenn mein einziger Job es ist, Studiomusiker*in zu sein, könnte ich mir vorstellen, dass es schwieriger wird in Zukunft, vor allem mit Hinblick auf die oben erwähnte funktionale Musik. Andererseits: Wenn ich als Musiker*in ein gewisses Standing habe, werde ich von Studios ja gerade wegen meines besonderen Styles angefragt, um mein jeweiliges Instrument einzuspielen. Auch der Vibe verschiedener Musiker*innen, die zusammenspielen, kann nicht einfach ersetzt werden. Technisch wäre das natürlich trotzdem möglich. Dann gibt es noch einen Spruch, den ich aus verschiedenen Branchen gehört habe: XY werden nicht ersetzt, aber XY, die keine KI benutzen, werden ersetzt. Der/die Gitarrist*in, kann natürlich auch KI einsetzen, um seinen/ihren Job schneller oder besser zu machen.
CCB Magazin:Allgemeiner gefragt: Welche neuen Jobs können durch KI im Musikbereich entstehen? Welche gehen womöglich verloren?
David Stammer:Ich würde das so formulieren: Je generischer oder schematischer mein Job oder meine Musik ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Teile meines Jobs durch KI ersetzt werden – also alles, was gut automatisiert oder nachgeahmt werden kann. Dagegen kann ich mir gut vorstellen, dass es neue Jobs an den Schnittstellen zwischen KI und Musik geben wird, im professionellen Umgang mit KI-Tools und Prompts oder im Erklären und Vermitteln von KI im Musik- und Kulturbereich – ähnlich wie durch soziale Medien, Digitalmarketing und Streaming viele neue Jobs in der Musikindustrie entstanden sind.
CCB Magazin:Welchen Einfluss hat KI auf die Vermarktung von Musik? Wie wird sie dort eingesetzt?
David Stammer:Musik wird derzeit hauptsächlich über Streaming-Plattformen konsumiert. Da spielen Empfehlungs-Algorithmen, die Musik vorschlagen, natürlich eine große Rolle, da sie beeinflussen, was gehört wird. In diesem Sinne ist KI ein ganz essentieller Bestandteil von Musikvermarktung und Musikvertrieb. Es ist dabei grundsätzlich so, dass es Streaming-Manipulationen gibt, beispielsweise durch Bots, die bewirken, dass Musiker*innen weniger Geld vom Gesamtpool einer Streaming-Plattform bekommen. Das kann dazu führen, dass Empfehlungs-Algorithmen KI-generierte Musik empfehlen, also KI KI-Musik empfiehlt – und die ‚echten‘ Musiker*innen dadurch weniger verdienen. Dagegen versuchen die Streaming-Plattformen vorzugehen, es ist aber nicht ganz einfach. Außerdem wird KI in verschiedenen Bereichen der Musikpromotion eingesetzt, etwa für das Schreiben von Pressetexten, das Erstellen von Artworks oder Teaser-Visuals.
Grundsätzlich sind die meisten Entwickler*innen von KI-Tools darauf bedacht, nur freiverfügbare Daten zum Training der KI zu verwenden, so dass kein Urheberrecht verletzt wird
CCB Magazin:KI trainiert mit großen Datenmengen. Daran knüpfen sich rechtliche Probleme. Das deutsche Urheberrecht schützt ausschließlich menschengemachte Werke. Was bedeutet das für KI-generierte Songs, die ja nur auf Basis dieser menschengemachten Werke, mit denen sie trainiert wurden, Songs erschaffen?
David Stammer:Grundsätzlich sind die meisten Entwickler*innen von KI-Tools darauf bedacht, nur frei verfügbare Daten zum Training der KI zu verwenden, so dass kein Urheberrecht verletzt wird. Es gibt hierfür Open-Source-Datenbanken, die frei genutzt werden dürfen. Im Nachhinein ist es aber oft schwierig festzustellen, ob nicht doch urheberrechtliches Material benutzt wurde – und das ist ein Problem. Die beste Lösung wäre, wenn sich Artists oder Labels mit KI-Entwickler*innen zusammenschließen und die Tools mit ihnen gemeinsam entwickeln. Oder es müssen Modelle gefunden werden, bei denen die Artists, deren Daten zum KI-Training genutzt werden, vergütet werden.
CCB Magazin:Gibt es denn schon solche Kollaborationen zwischen Labels und KI-Entwickler*innen?
David Stammer:Es gibt beispielsweise eine Initiative von Universal und YouTube, die zusammen mit verschiedenen Artists, unter anderem Max Richter, einen KI-Musik-Accelerator ins Leben gerufen haben. Das Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung ist in jedem Fall da.
CCB Magazin:Um einmal das große Ganze ins Auge zu fassen: Mit der Einführung des Computers wurde der Prozess der Musikproduktion erheblich erleichtert. Das gleiche gilt für die Digitalisierung vormals ausschließlich analog existierender Geräte wie beispielsweise Mischpulte oder Effektgeräte. Wie bewertest du in diesem Kontext die Entwicklung von Musik-KI-Systemen?
David Stammer:Ich sehe die KI-Tools klar als Kontinuität von digitaler Musikproduktion an sich. Die Digitalisierung der Musikproduktion hat dazu geführt, dass man nicht mehr unbedingt ins Studio gehen muss, um Musik aufzunehmen. Außerdem hat man jetzt alle Instrumente auch in Midi-Form auf dem Rechner oder Zugriff auf riesige Sample- und Loop-Datenbanken. Die KI-Tools sind in diesem Zusammenhang eine logische Erweiterung und Ergänzung.
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