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KI-Tools für Design werden bald nicht mehr wegzudenken sein. Manche werden schon standardmäßig eingesetzt. Wie funktionieren sie und was lässt sich mit ihnen machen? Und vor allem: Wie verändern sie den Designberuf. Zusammen mit Marc Engenhart hat Sebastian Löwe, bis vor kurzem Professor für Design Management an der Mediadesign Hochschule in Berlin, ein Grundlagenwerk zu KI und Design geschrieben. Darüber haben wir mit ihm gesprochen.
CCB Magazin: Hallo Sebastian, du warst bis Juni 2023 Professor für Design Management an der Mediadesign Hochschule in Berlin. Im vergangenen Jahr hast du zusammen mit Marc Engenhart ein Buch über Design und Künstliche Intelligenz geschrieben. Wie kam es dazu?
Sebastian Löwe: Ich habe 2017 angefangen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HMKW in Berlin zu arbeiten und bin auf dieses Thema durch eine Konferenz gestoßen. Zu dieser Zeit wurden nur ein paar Use Cases besprochen, es gab noch keine Gesamtübersicht über das Thema. Zwei Jahre später habe ich mich dann mit meinem Kollegen Marc Engenhart zusammengetan und wir beschlossen, ein Grundlagenwerk zu KI und Design zu schreiben. Unser Buch ist das erste seiner Art, dass über den gesamten Designprozess informiert und sich insbesondere auch die Frage stellt, wie eigentlich Gestaltung für KI geht. Also wenn man KI als Designmaterial an sich betrachtet. Wir schrieben das Buch einerseits, um uns selbst das Thema klarzumachen. Andererseits um anderen einen systematischen Überblick über das Thema zu vermitteln. Das Buch richtet sich sowohl an Akademiker*innen als auch an Designer*innen. Zudem haben wir die Website designundki.de veröffentlicht, wo alle KI-Tools aufgelistet sind und aktualisiert werden.
CCB Magazin:Beim Lesen des Buches ist mir klar geworden, wie weit fortgeschritten KI-Tools im Designbereich schon sind und wie rasend schnell sie sich weiterentwickeln. Aber wie weit sind sie in der Praxis schon verbreitet? Werden KI-Tools bei Designagenturen standardmäßig eingesetzt?
Sebastian Löwe:Wir haben im Kontext des Buches eine kleine Nutzerumfrage gemacht und festgestellt, dass bisher nur wenige Designer*innen KI-Tools nutzen. Das war vor etwa anderthalb Jahren. Heute dürften das wesentlich mehr sein, denn die Entwicklung geht sehr schnell voran. Mit Fusion 360 oder Spacemaker von Autodesk gibt es beispielsweise eine KI, die zum Standard geworden ist. Die Tools richten sich an Produktdesigner*innen. Mit ihrer Hilfe kann jemand, der einen Stuhl baut, sehen, welche physikalischen Kräfte auf ihn einwirken, unter welchen Umständen er z.B. bricht. Die Gestaltung des Stuhls lässt sich daraufhin anpassen. Naturkräfte wie Wind oder Geräuschentwicklung, die man als Designer*in nicht sehen kann, wenn man ein Objekt gestaltet, werden von der KI berechnet. Sie können auch errechnen, ob z.B. genug Licht in einen Innenhof kommt, damit Bäume wachsen können, wie die Hitzeentwicklung einer Häuserfassade ist oder wie sich Abgase in einem Raum entwickeln usw. Das alles gibt es schon standardmäßig auf dem Markt.
Die KI-Technologie tut zwei prinzipielle Dinge: Automatisierung und Augmentierung. Durch die Automatisierung können sich die Designer*innen auf andere Dinge konzentrieren und sparen Zeit; durch Augmentierung wird ihre Expertise verstärkt
CCB Magazin:Das Buch listet eine ganze Reihe von KI-Tools auf. Besonders beeindruckt haben mich Tools, mit denen sich 2D-Bilder in dreidimensionale Räume verwandeln lassen. Oder KIs, die aus Textbeschreibungen Bilder kreieren. Was bedeutet das nun für den Designbereich? Wie werden diese Tools in den Gestaltungsprozess eingebunden?
Sebastian Löwe:Als wir das Buch schrieben, war das alles noch kein großes Ding. OpenAI hatte gerade das DALL-E-Projekt in der Pipeline, ein KI-Tool, das, wie du gerade gesagt hast, Bilder aus Textbeschreibungen generiert. Heute sind diese Modelle überall verfügbar: diese sogenannten Diffusion-Modelle schaffen Bilder aus einer Pixelwolke. Das hat man noch mit einem Textmodell verbunden, und erst im Zusammenspiel von textbasierter, generativer KI und diesen Diffusion-Modellen kommt das heraus, was wir mit Midjourney, Stability.AI und DALL-E 2 kennen. Ehrlich gesagt, sind diese Tools noch gar nicht richtig fertig. Aber das spannende ist, dass du sie selber trainieren kannst, sofern du als Unternehmen über ein gewisses Budget verfügst. Viele Agenturen fangen damit an, ihre eigenen KI-Tools zu trainieren, um die Ergebnisse zu erzielen, die sie haben wollen. Als einzelne*r Designer*in ist das natürlich nicht möglich. Trotzdem können selbstständige Designer*innen viele nützliche Tools für ihre Arbeit verwenden.
CCB Magazin:Wie verändert sich dadurch die Arbeitsweise von Designer*innen? Ändert sich dadurch auch ihr Verständnis von Kreativität und Gestaltung?
Sebastian Löwe:Was wir sehen ist, dass die Technologie zwei Dinge tut. Das eine ist Automatisierung. Das kennt man ja aus anderen Bereichen in der Wirtschaft. Das betrifft zumeist Dinge, die für die Designer*innen ohnehin nicht spannend zu machen sind, beispielsweise das Freistellen bei der Bildbearbeitung oder diverse andere Vorarbeiten. Durch die Automatisierung können sich die Designer*innen auf andere Dinge konzentrieren und sparen Zeit. Es gibt auch Tools, die bei der Recherche helfen und eine Unmenge an Daten sinnvoll organisieren können. Die zweite Dimension ist, was wir Augmentierung nennen. Bei Augmentierung wird die Expertise der Designer*innen verstärkt. Das ist ein sehr spannender Bereich! Selbst erfahrene Gestalter*innen kommen an kognitive Grenzen. Vorhin habe ich Naturkräfte erwähnt, die sich auf die Gestaltung auswirken können. So etwas kann ein*e Designer*in nur schwer berechnen. Das ist das Verrückte an dieser Technologie: Jeder statistische Zusammenhang kann abgebildet und gelernt und im Anschluss generalisiert werden. Das heißt, aus allen möglichen Daten kann eine Prognose erstellt werden. Dadurch lässt sich beispielsweise vorhersagen, ob Leute Marken wiedererkennen in einer bestimmten Gestaltung. Durch Tracking stellt die KI fest, was Nutzer*innen mögen und was nicht. Es gibt z.B. Studien zu Motorhauben, wo durch die KI genau abgebildet werden kann, welcher Teil der Haube vom Kunden als Markenzeichen wahrgenommen wird. Als Gestalter*in kann man das überhaupt nicht verstehen, weil es die kognitiven Möglichkeiten überschreitet.
Durch KI-Tools kann jeder statistische Zusammenhang abgebildet, gelernt und im Anschluss generalisiert werden. Das heißt, aus allen möglichen Daten kann eine Prognose erstellt werden. Dadurch lässt sich beispielsweise vorhersagen, ob Leute Marken wiedererkennen oder was Nutzer*innen an einem bestimmten Design mögen und was nicht
CCB Magazin:Man kann mit Gewissheit sagen, dass auf kurz oder lang kein*e Designer*in an KI vorbeikommt. Aber gibt es überhaupt schon Weiterbildungsmöglichkeiten oder gar Design-Studiengänge, die eine*n praktisch an das Thema heranführen?
Sebastian Löwe:Das wird gerade heiß diskutiert in der akademischen Welt. Es gibt z.B. ein Forschungsprojekt, das sich KITeGG nennt, da sind fünf oder sechs Gestaltungsfachhochschulen beteiligt, die sich überlegen, wie sich die Gestaltungsausbildung durch die KI-Technologie ändern muss. Muss sie das überhaupt und in welcher Form? Man versucht die Student*innen so schnell wie möglich mit den Tools bekannt zu machen. Mein Kollege Marc und ich haben das Thema bereits an unseren Hochschulen unterrichtet. Viele verfolgen die Entwicklung aber auch von sich aus. Es gibt zahlreiche Online-Weiterbildungsangebote, die beispielsweise Prompt-Engineering anbieten oder die Bedienung von generativen KI-Tools erklären. Wer recherchiert, wird fündig.
CCB Magazin:Um nochmal auf die Automatisierungsprozesse sprechen zu kommen. Gehen durch diese KI-Tools womöglich nicht auch wertvolle Fähigkeiten verloren? Gibt man als Designer*in nicht zu viel Autonomie ab, wenn man sich stets auf die Ergebnisse der KI verlässt?
Sebastian Löwe:Du musst als Designer*in ja weiter die Expertise haben. Diese KI-Tools machen tausende von Vorschlägen, die bewertet und kuratiert werden müssen. Und sie machen Fehler. Du musst also entscheiden, welche Ideen aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Diese Art von kuratorischem Eingriff erfordert ein hohes Maß an Expertise. Zu wissen, was funktioniert, was gestalterisch wertvoll ist, was ethisch vertretbar ist, die ästhetischen Designgrundlagen also, die müssen noch immer erlernt werden. Und den Zugang zu diesen Grundlagen findet man unter anderem übers Zeichnen. Selbst eine Verbindung zwischen Hand, Auge und Verstand zu schaffen – das ist die Grundlage für ein*e professionelle Gestalter*in.
Die spannendsten Entwicklungen gibt es gerade in der EmotionAI-Forschung, wo es darum geht, zu erkennen, wie jemand emotional drauf ist, um daraufhin das Design in Echtzeit anzupassen
CCB Magazin:Wie verändert KI das Erlebnis digitaler Produkte? Welche Möglichkeiten ergeben sich durch KI für die Nutzer*innen? Stichwort: personalisiertes oder individualisiertes Design.
Sebastian Löwe:Personalisiertes Design funktioniert im Prinzip mit allem, was auf Daten basiert und digitalisierbar ist. Im Fall von Websites lässt sich die Gestaltung sogar in Echtzeit anpassen. Je nach deinen Wünschen und Vorlieben und meinen Wünschen und Vorlieben ändert sich dann das Design der Website. Das ist ein ganz neues Nutzer*innenerlebnis! Die spannendsten Entwicklungen gibt es gerade in der EmotionAI-Forschung, wo es darum geht, zu erkennen, wie jemand emotional drauf ist, um daraufhin das Design in Echtzeit anzupassen.
CCB Magazin:Sind es eher große Player, die die KI-Systeme entwickeln wie Adobe und Autodesk oder sind es viele kleine Entwickler? Welche neuen Geschäftsmodelle ergeben daraus?
Sebastian Löwe:Beides. Es gibt viele Strategien. Meta zum Beispiel macht alles über Open Source und will, dass die Entwickler*innen mit im Boot sitzen. Die Entwickler*innen profitieren von den Modellen, die Meta bereitstellt, Meta profitiert vom Ideenreichtum, der dadurch angestoßen wird. Später können sie dann von den Entwickler*innen einen bestimmten Prozentsatz ihrer von den Nutzer*innen gebrauchten Tools verlangen. Oder man macht es wie Midjourney und sagt, ihr zahlt monatlich zwanzig Euro oder so, um die Software nutzen zu dürfen. Da gibt es unterschiedliche Businessmodelle. Jeder hat seine eigene Strategie, Marktdurchdringung zu schaffen.
CCB Magazin:Zum Schluss eine Prognose bitte: Wird KI im Designbereich unterm Strich mehr oder weniger Arbeitsplätze schaffen? Welche Berufe fallen mitunter weg? Welche neuen entstehen?
Sebastian Löwe:Die Spekulation um Arbeitsplätze überlasse ich lieber den Studien von großen Beratungsfirmen. Da habe ich überhaupt kein Verständnis davon, wie sich das entwickelt. Sicher ist es immer eine Härte von neuen Technologien, dass sie die Arbeit mancher Leute überflüssig machen. Was wir schon absehen können, ist, dass die exekutiven Funktionen von Designer*innen immer weniger werden. Die Arbeit verschiebt sich auf eine strategische, kuratorische, manageriale Ebene. Und das andere ist, dass man als Designer*in eben lernen muss, diese KI-Tools zu bedienen.
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